Tag 88 – Time Lapse Day

Zeitrafferaufnahmen sind extrem cool, das weiß spätestens seit der Fernsehserie Breaking Bad so ziemlich jedes Kind. Schon seit mehreren Jahren ist es unter vielen Hobbyfotografen fast eine Art Sport geworden häufig Belangloses im Zeitraffer zu fotografieren. Da werden mehrere Stative und teure große Slider um die Welt transportiert um vielleicht irgendwo in der Wüste von Arizona eine Kamera ganz langsam an einem Kaktus vorbei bewegen zu können, während dahinter die Sonne aufgeht.

Ich selbst habe auch meinen Spaß daran, aber als Motorradreisender, kann ich solchen immensen Aufwand natürlich nicht treiben. Viele Profis haben sogar Autobatterien dabei um ihre Zeitraffer-Ausrüstung über viele Stunden und manchmal sogar Tage mit Strom versorgen zu können. Ich selbst muss derzeit mit maximal zwei GoPro Kameras und meinen beiden Fuji (X-T1 und X-E2) auskommen. Für meine GoPros habe ich zwei Zusatzakkus, mehr nicht.

Weil hier auf der Finca San Juan auf Teneriffa beim Blick nach Nord-Westen an fast jedem Morgen die Wolken über dem Meer in malerischen Farben leuchten, bietet es sich an dieses Schauspiel im Zeitraffer aufzunehmen. Wie das geht will ich heute kurz erklären.

Ein spezielles Feature der aktuellen (und leider sehr teuren) GoPro 4 Black Edition ist der Modus „Night Time Lapse“ oder auf „Time Lapse“. Über die Kamera oder ein per WiFi verbundenes Smartphone kann man diesen Modus sehr einfach und sehr weitreichend konfigurieren. Es kann eine obere Grenze für die ISO-Empfindlichkeit festgelegt werden, man kann Belichtungszeiten vorgeben oder einfach „Auto“ wählen. Das Aufnahmeintervall kann in mehreren Stufen eingestellt werden und eine Konfiguration von Schärfe, Weißabgleich usw. ist ebenfalls möglich. Damit liefert diese Kamera die allerbesten Voraussetzungen für schönes „Rohmaterial“. Der Modus „Night Time Lapse“ ermöglicht sogar Aufnahmen der Milchstraße, was wirklich cool ist!

Bei einem Intervall von 10 Sekunden, schafft meine GoPro mit einem zusätzlichen Akku auf der Rückseite etwa 1.000 Einzelbilder die maximal 12 Megapixel groß sein können, danach sind beide Akkus leer. Will man die Laufzeit verlängern, so könnte man über den Mini-USB Anschluss einen zusätzlichen Akku oder ein Netzgerät anschließen.

Viele Zeitraffer-Freaks nehmen ihr Rohmaterial mit Spiegelreflexkameras auf. Blendet man dabei das Objektiv etwas ab, so kommt es meist zu einem leichten Flimmern, weil sich die Blende des Objektivs häufig mit ganz winzigen Toleranzen schließt, was aber im Video später als leichtes Flimmern unangenehm auffällt. Um dieses Flimmern zu beseitigen gibt es einige sehr teure Plug-Ins für Video-Bearbeitungsprogramme wie bei beispielsweise Apples Final Cut Pro X. Häufig kommt auch das Tool LRTimelapse von Gunther Wegner in Verbindung mit Adobe Lightroom zum Einsatz. Ich persönlich mag Lightroom nicht besonders und verwalte meine Fotos lieber „manuell“. Gerade auf dieser langen Reise habe ich inzwischen fünf externe Festplatten mit je 2 TB Speicherplatz angesammelt. Drei Festplatten sind schon voll mit Fotos und Videos. Diese unglaubliche Datenmenge wäre für Lightroom nur schwer zu bewältigen. Und daheim warten nochmals fast 20 TB mit dem Bild- und Videomaterial letzten Jahre. Das alles verwalte ich lieber in meinem Kopf und mit Aufklebern auf den vielen einzelnen Festplatten.

Zurück zu meiner GoPro Kamera. Dieses Ding hat keine Springblende, also das was bei einer Spiegelreflexkamera in den Objektiven eingebaut ist. Daher kann hier auch nichts flimmern. Ist an der Kamera der Time-Lapse Modus aktiviert, liefert sie ohne weiteres Zutun sehr gleichmäßig belichtetes Rohmaterial. Eine aufwändige Nahbearbeitung mit LRTimelapse oder anderen Tools ist daher meist nicht notwendig.

Bei meinen Fuji-Kameras ist das ganz ähnlich, allerdings stelle ich hier häufig eine offene Blende ein, um Flimmern zu vermeiden.

Nachdem meine GoPro (oder Fuji) bis zu 1.000 Einzelbilder aufgenommen hat, verwende ich ein kleines billiges Programm aus dem Apple APP-Store mit dem schönen Namen Time-Lapse.

Bildschirmfoto 2015-10-02 um 09.43.17

In dieses kleine Programm schiebe ich per Drag & Drop alle Bilder einer Zeitraffer-Sequenz und erstelle damit eine Art „Roh-Video“ in voller Auflösung (4K) und sehr guter Bildqualität. Bei 1.000 GoPro Einzelbildern ist dieses Video etwa 1,5 GB groß!! Anschließend importiere ich dieses Roh-Video in Final Cut Pro X und nehme dort einige wichtige Bearbeitungsschritte vor die ich kurz erklären möchte. Im folgenden Screenshot ist Final Cut Pro X zu sehen.

FCPX-Time-Lapse-Processing

Im Screenshot sieht man unten rechts ein kostenloses Plug-In, das ich für die Korrektur der Verzeichnung des Superweitwinkel-Objektivs meiner GoPro Kamera benutze. In der Timeline (unten links) sieht man, dass ich dort zwei Videoclips übereinander gelegt habe. Das ist „mein Trick 17“ für Zeitraffer-Videos. Der obere Clip ist eine Kopie des unteren Clips, aber ich habe ihn im genau ein Bild nach rechts verschoben und das letzte Bild entsprechen abgeschnitten. Danach habe ich die Transparenz auf 50% gesetzt. Damit kann ich ganz leichtes Flimmern ohne teure Plugins usw. reduzieren. Flimmert das fertige Video immer noch, so kann man weitere Kopien „stapeln“ und die Transparenz bspw. auf 75%, 50% und 25% setzen. Ein weiterer Effekt ist, dass die Videos durch diesen Trick ein wenig „flüssiger“ aussehen.

Wer sich mit LRTimelapse von Gunther Wegner schon einmal beschäftigt hat, der kennt den Trick, dass man am zum Ende einer Sequenz die Farben eines Video sehr einfach verstärken kann. So lässt sich der farbige Verlauf eines Videos sehr weitreichend beeinflussen, vielleicht ist das das coolste Feature an LRTimelapse. Fotografiert man eine Sequenz eines Sonnenuntergangs, so kann der Himmel zum Ende hin schön rot aufleuchten, obwohl es in Wahrheit eigentlich recht langweilig war. Aber was zählt ist ja das Endergebnis, also die Illusion, wie überall in der Fotografie und bei jedem Kinofilm.

Weil mir eine solche Illusion ebenfalls sehr gut gefällt, habe ich einen kostenlosen einfachen Trick entwickelt. Er ist im oberen Screenshot ebenfalls zu sehen. Ganz oben rechts ist ein Bereich erkennbar, in dem man Helligkeit, Farbsättigung und Weißabgleich sehr komfortabel für seine Videoclips ändern kann. Hier stelle ich für den oberen Clip gern etwas krasse Werte ein, hier darf schon mal etwas übertrieben werden, denn die Deckkraft liegt ja nur bei etwa 50%. Außerdem kann man in Final Cut Pro X in einem „Stapel“ aus mehreren Clips, einzelne Clips sehr schön ein- und ausblenden. In diesem Beispiel habe ich zum Ende hin die Farben kräftig verstärkt, die Mitteltöne leicht aufgehellt und die hellen Bereich leicht abgedunkelt. Der obere Clip wird zum Ende hin linear eingeblendet und mit 50% Deckkraft überlagert.

Für noch bessere Ergebnisse würde man zunächst die gestapelten Video-Clips im Format ProRes (also quasi verlustfrei) auf Festplatte speichern, dann wieder importieren, neu stapeln und anschließend diese Farbkorrektur anwenden.

In meinem Beispiel gibt es aber fast kein Flimmern, so dass ich mir diesen etwas aufwändigen Zwischenschritt erspart habe.

Bei Profis und Semiprofis sind teure Slider mit Stellmotoren, großen Batteriepacks und aufwendigen Steuercomputern sehr angesagt. All das habe ich nicht, daher kann ich keine echten Kamerafahrten erstellen. Aber mit einem kleinen Trick kann man seine GoPro Videos noch ein wenig „aufmotzen“. Wie das geht, das erkläre ich jetzt…

Vor einigen Jahren hat der US amerikanische Dokumentarfilmer für seine Filme einen Effekt erfunden, bei dem er historische Fotos eingeblendet und kleine Kamerafahrten über diese Fotos gemacht hat. Inzwischen gehört dies zum Standard einer jeden elektronischen Diashow, aber Ken Burns ist der Erfinder dieses Effekts! Natürlich fehlt die Möglichkeit kleine Kamerafahrten zu erstellen in keinem modernen Schnittprogramm. Bei Apple hat man dies während der Entwicklung von Final Cut Pro X stets als den „Ken Burns Effect“ bezeichnet. Als das Programm fertig war hatte man noch keinen anderen Namen und so hat Apple damals bei Ken Burns angefragt, ob sie diesen Effekt nach ihm benennen dürfen. Sicher ist Ken Burns damals fast vom Stuhl gekippt, jedenfalls hat er eingewilligt.

Mit dem Ken Burns Effekt kann man in einem Zeitraffervideo ganz problemlos und ohne weiteren Aufwand kleine Kamerafahrten realisieren. Zwar sieht das längst nicht so cool aus wie eine Kamera die sich wirklich bewegt und ihre Perspektive verändert, aber es ist kostenlos und bereichert jede einfach hergestellte Zeitraffersequenz.

Weil der Sensor der GoPro-Kameras ein Seitenverhältnis von 4:3 hat, moderne Videofilme aber fast nur noch im Seitenverhältnis 16:9 produziert und gezeigt werden, ist hier viel Spielraum für vertikale Kamerafahrten die den Ken Burns Effekt verwenden. Wegen der hohen Auflösung von 12 Megapixeln haben die „Rohvideos“ eine gewaltige Auflösung von etwa 4K. Wer seine Zeitraffer-Sequenzen ohnehin im kleineren HD Format (1920 x 1080 Pixel) ausgibt, hat also wirklich viel Spielraum für Kamerafahrten mittels des Ken Burns Effekts.

Mein fertiges Beispiel habe ich als nicht gelistetes Video bei YouTube hochgeladen, man kann es hier anschauen. Schaut es ruhig mehrfach und in voller Auflösung an. Dabei auf Flimmern und Farben achten. Das was im Video flimmert ist ein „natürliches Flimmern“ das durch die vor der Sonne vorbeiziehenden Wolken verursacht wird.

Ein Kommentar zu “Tag 88 – Time Lapse Day

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