Tag 8 – Zu Besuch beim Kernfusionsreaktor

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In Garching ist nachts nicht viel los und so kann ich bei geöffnetem Fenster schlafen. Am nächsten Morgen ist es angenehm kühl und ich bin froh, dass ich nicht gleich wieder aufs Motorrad steigen und weiterfahren muss. Nach dem Frühstück versuche ich mein Notebook irgendwie mit einem WiFi Netzwerk zu verbinden. Aber trotz Passwort & Co. funktioniert hier einfach gar nichts. Es ist frustrierend. Schließlich verbringe ich einige Stunden auf der kleinen Dachterrasse im zweiten Stock.

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Dort hat mein Handy einen sehr guten Empfang. Mein Datenvolumen gibt noch etwas her, und ich kann es in diesem Monate eh nicht wirklich ausschöpfen, weil ich bereits in einigen Tagen im Ausland sein werde. Also gebe ich die Datenverbindung über WLAN frei und kann in Ruhe einige Artikel schreiben und in meinem BLOG veröffentlichen. Als ich gegen 16h fertig bin, steht der Zeiger für den täglichen Datenverbrauch bei knapp 800 MB!

Um 16h bin ich bei der Max-Planck-Gesellschaft für Plasmaphysik. Der Weg ist nicht weit, es sind nur 2,8 Kilometer. Das Gelände ist gleich neben einer U-Bahn Haltestelle und kaum zu verfehlen. Ich melde mich kurz beim Pförtner an und düse kurz darauf zum Gebäude L6. Dort werde ich schon von Herrn Dr. Teschke erwartet und freudig begrüßt. Herr Dr. Teschke ist einer der Entwickler eines Teilprojektes mit dem schönen Namen „BUSSARD“. Auf der Suche nach einem Logo ist er im letzten Jahr auf eines meiner Fotos gestoßen.

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Dieses Foto ziert nun den Ort an dem „der BUSSARD“ seine Arbeit verrichtet. Das Foto habe ich gern kostenlos zur Verfügung gestellt, im Gegenzug darf ich mir heute die gesamte Anlage anschauen und mit meiner GoPro 4 ausgiebig alles filmen was ich gezeigt bekomme.

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Es ist wirklich faszinierend zu sehen welche Apparaturen hier erstellt wurden um einige Milligramm eines Gases auf etwa 150.000.000 °C zu erhitzen. Überall sind Messgeräte angeschlossen und das „Experiment“ erinnert mich an die Weltraumtechnik der NASA. Extrem cool ist es für mich die Energieversorgung dieses Experiments anzuschauen. Während für etwa 10 Sekunden ein sogenannter „Plasmaschuß“ durchgeführt wird, fließen Ströme von bis etwa 80.000 Ampére durch die Versorgungsleitungen in den Reaktor. Mit diesem Strom könnte man auch die Stadt München versorgen! Daher habe ich bislang gedacht, dass dieses Experiment über einen eigenen Kraftwerksanschluss betrieben wird. Hier lag ich allerdings ein wenig daneben. Um diese gewaltigen Energiemengen bereitstellen zu können werden drei riesige Schwungräder von einem großen Elektromotor in Rotation versetzt. Sobald der äußere Rand der Schwungräder annähernd Schallgeschwindigkeit erreicht hat, kann die gewaltige Rotationsenergie über einen Generator in die Energiemengen umgewandelt werden, die für einen „Plasmaschuß“ notwendig sind.

Alles was es braucht um die so erzeugte elektrische Energie in Gleichstrom umzuwandeln, abzusichern und zu transportieren ist wirklich beeindruckend. Ganz egal ob es eine Sicherung, eine Leitung oder ein Gerät zur Messung der Ströme ist, alles ist riesig und sehr beeindruckend.

Als ich dann noch den Raum unter den Schwungrädern anschauen darf bin ich ziemlich sprachlos. Um selbst feine Vibrationen der gewaltigen Schwungräder ausgleichen zu können sind sie mit Betonplatten verschraubt, die ihrerseits wie die Elemente einer Autobahnbrücke schwimmend gelagert sind.

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Als ich gegen 18h das Gelände verlasse bin ich ziemlich sprachlos. Diese geballte Menge an Superlativen hatte ich nicht erwartet. Noch liefert dieser Reaktor keinen Strom. Aufgrund seiner Baugröße würde er auch nur so viel Energie liefern können wie er selbst verbraucht. Aber derzeit wird in Greifswald eine neue größere Anlage gebaut, in welche die Forscher große Hoffnungen setzen. Doch trotz aller Euphorie wird es noch viele Jahre dauern bis mit einem Kernfusionsreaktor kommerziell Strom erzeugt werden kann. Herr Dr. Teschke geht derzeit davon aus, dass es noch bis zu 50 Jahre dauern könnte bis ein Kernfusionsreaktor zuverlässig und umweltfreundlich elektrische Energie liefern wird. Wenn diese Reaktoren irgendwann einmal funktionieren, werden sie keine radioaktiven Abfälle produzieren und kein nennenswertes Risiko für Mensch und Tier darstellen.

Mit einer funktionierenden Kernfusionstechnik wäre eine weitgehende Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen denkbar. Aus den Meeren könnte sauberes Trinkwasser gewonnen werden, Autos könnten elektrisch fahren und die vielen hässlichen Windräder die derzeit allerorts aufgestellt werden könnten wieder demontiert werden.

Für den nächsten Tag stehen einige Experimente auf dem Programm und der Bussard wird an diesem Tag erstmals in Betrieb sein. Für Herrn Dr. Teschke und seine Mitarbeiter ist das ein ganz besonderer Moment. Für mich wird es das auch sein, denn ich darf am Dienstag den 14. Juli ein zweites mal zu Besuch kommen und einen „Plasmaschuß“ live miterleben. Was ich dabei alles erlebt habe gibt es mir nächsten Artikel zu lesen.

4 Kommentare zu “Tag 8 – Zu Besuch beim Kernfusionsreaktor

  1. War schön, Sie bei uns zu haben! Schade, daß Sie nicht mehr die Zeit hatten, sich mit uns in den Kontrollraum zu setzen. Es ging noch sehr lebhaft zu, da wir gerade viele internationale Gäste bei uns haben. BUSSARD hat übrigens seine erste Betriebswoche in diesem Jahr mit Bravour bestanden und erste, physikalisch relevante Ergebnisse geliefert!
    Danke für die netten Blogeinträge, ich bin gespannt auf die Videos. Und noch eine kleine Anmerkung zum Schluß: Es sind tatsächlich bis zu 80.000 Ampere die durch unsere sog. „OH-Spule“ fließen (nicht 18.000A) und einen Plasmastrom von bis zu 1.600.000 Ampere induzieren.
    Meine Kollegen und ich wünschen weiterhin eine gute Reise!

    • Hallo Markus,

      vielen Dank für den Hinweis! Diesen kleinen aber nicht unerheblichen Unterschied habe ich eben korrigiert 🙂

      Inzwischen bin ich in der Schweiz und habe gestern leider meine GoPro 4 in einer tiefen Schlucht verloren 🙁 Morgen muss ich mal schauen ob ich Ersatz bekomme. Die Kamera hing mit einem Kabelbinder an einem etwa 20 Meter langen Kletterseil. Ich habe sie bei 240 B/s im Modus 720p von einer Brücke in die Schlucht fallen lassen und mich danach extrem gewundert, dass es den massiven Kabelbinder einfach zerrissen hat. Die ganze Geschichte gibt es dann im meinem BLOG sobald ich die Artikel zu den letzten Tagen nachgearbeitet habe 🙂

      Ciao, Ansgar

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