Tag 23 – Gorge du Verdon

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Während der Nacht habe ich das Zimmerfenster geöffnet gelassen. So bin ich schon um 6h wach und kann noch schnell den „Artikel des letzten Tages“ nachholen. Um 8h geht es zum Frühstück, es ist alles da was man so braucht und es schmeckt mir wirklich gut. Gemeinsam mit Pascal und Yann wird beratschlagt wie es heute weitergehen könnte. Nach kurzer Zeit sind wir uns einig, dass ihr Plan nach Nizza zu fahren eigentlich nicht so toll ist. Dort ist nur viel Verkehr und zu sehen gibt es dort außer scharfen Frauen, heißen Autos, geilen Geschäften und teuren Yachten eigentlich nichts. Da sieht es am George du Verdon, dem „Grand Canyon von Frankreich“ schon ganz anders aus.

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Gegen 9:30 haben wir die Motorräder startklar und könnten eigentlich los. Allerdings müsste ich mein Zimmer noch bezahlen. Ich hatte es schon versucht, aber es ging leider nicht, weil Pascal bereits am Vorabend alles mit seiner Kreditkarte vorgestreckt hatte. Inkl. Abendessen mit drei Gängen und allen Getränken kostet die Übernachtung 108,- Euro pro Nase. Als ich Pascal das Geld geben will winkt er sofort ab. Ich sei hier Gast in Frankreich und so weiter… Aber das will ich nicht auf mir sitzen lassen und drücke ihm wenigstens 100,- Euro in die Hand. Er zögert kurz, dann steckt er sie aber doch ein. Alles eine Frage der Ehre…

Es geht los Zum Gorge Du Verdon. Das Wetter ist genial und die Landschaft rund um Valberg hat wirklich viel zu bieten. Gern würde ich hier und dort anhalten, aber es geht nicht weil Pascal vorausfährt und mit Fotos nicht viel am Hut hat. Also knirsche ich leise mit den Zähnen und fahre weiter. Irgendwann ist es sowas von famos, dass ich einfach anhalten muss. Wenigstens mit meiner neuen GoPro 4 will ich etwas filmen, wenn schon keine Zeit für „richtige Fotos“ bleibt. Während ich die GoPro an meine BMW montiere zieht Pascal bereits am Horizont davon.

Ich beeile mich so gut es geht und setze kurz darauf alles daran ihn wieder einzuholen. Aber da ist kein Pascal zu mehr sehen. Aber ich bin durch etliche Tunnels gefahren die nur eine Fahrspur haben. Möglicher Weise ist er während dessen durch einen anderen Tunnel zurückgefahren um zu sehen wo ich bleibe und ob alles ok ist. Ich bin total verunsichert und halte hinter der Ortschaft Daluis an einer winzigen alten Brücke an. Der Punkt ist sehr markant und hier könnte Pascal mich finden. Ich schreibe ihm eine SMS, aber es kommt keine Antwort. Nach etwa 5 Minuten gebe ich auf und schreibe in einer zweiten SMS, dass ich der Straße in Richtung Süden folgen werde. Er versteht meine SMS leider so, dass ich mich damit verabschieden will und wünscht mir kurz darauf per SMS eine schöne Tour.

So ein Mist, so herrlich zufällig wie wir uns am Vortag bei der Tankstelle in Briancon überraschend gefunden haben, so schnell haben wir uns heute wieder verloren. Ich bin frustriert und fahre eine Weile allein vor mich hin, irgendwie doch noch in der Hoffnung Pascal und seinen Sohn Yann zu finden. Aber sie sind weit und breit nicht mehr zu sehen. Als mich der Bordcomputer meiner BMW dringend darum bittet endlich Benzin nachzufüllen suche ich mir in meinem TomTom Urban Rider die nächstgelegene Tankstelle heraus. Dort gibt es leider nur Super 95 E10. Aber egal, auch damit wird meine BMW eine Weile klar kommen.

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Nach der Tankprozedur bin ich völlig verunsichert, ich habe irgendwie die Orientierung verloren und es dauert eine Weile bis ich wieder weiß wo ich bin und in welche Richtung ich muss. Ich halte kurz an und gebe als Ziel in meinem TomTom einfach mal „Nimes“ ein, das liegt sehr schön auf dem Weg in Richtung Spanien.

Während meine BMW reichlich gemächlich vor sich hinrollt und ich die wunderbar kurvenreiche Straße entlang des Verdon-Stausees genieße rückt sich plötzlich eine ziemlich beeindruckende Staumauer in mein Blickfeld. Also eigentlich rück sich nicht die Staumauer in mein Blickfeld, sondern ich mein Blickfeld in Richtung Staumauer, aber das kennen wir ja bereits. Wie elektrisiert muss ich anhalten um ein Foto zu schießen. Aus einem Foto wird dann auch gleich eine ganze Serie und als ich gerade wieder los will, höre ich dieses inzwischen so sehr vertraute „Tuck Tuck Tuck Tuck“ eines großen Honda Zweizylinders. Und siehe da, es sind Pascal und sein Sohn Yann. Meine Kamera habe ich gerade griffbereit und so kann ich ein kleines „Welcome-Back-Photo“ schießen. Yann hat mich natürlich sofort erkannt und breitet grinsend die Hände aus. Ein sehr witziger Moment für uns alle!

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Während Yann und ich uns unterhalten und sein Vater telefoniert trifft dann eine richtig dicke schwer beladene BMW R1200 GS ein. Sie kommt aus England und ich muss sofort an Ewan McGregor und Charley Boorman denken. Schnell komme ich mit dem Fahrer ins Gespräch, er heißt Gary und kommt irgendwie aus der „Mitte Großbritanniens“. Er ist schon des öfteren hier gewesen und diese Landschaft zieht ihn immer wieder magisch an. Er will noch 2-3 Tage die kleinen Nebenstraßen erkunden und sich dann wieder auf den Heimweg machen.

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Wenig später stehen wir zu viert um seine BMW herum und er und Pascal diskutieren die Vor- und Nachteile einer BMW R1200 GS. Es ist schon Mittagszeit und Pascal schlägt schließlich vor, dass wir gemeinsam nach Castellane fahren um dort zu Mittag zu essen. Gary freut sich und kurz darauf sind wir zu viert unterwegs. So schnell kann das gehen. Eine halbe Stunde zuvor habe ich noch gedacht ich würde den Rest des Tages ganz allein verbringen und nun sind wir schon zu viert.

In Castellane finden wir ein nettes Hotel mit einem schicken Biergarten. Dort gibt es Cesar Salad und jede Menge kalte Getränke. Das Thermometer zeigt inzwischen 33°C an. Es ist wieder einer dieser knallheißen Sommertage.

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Nach dem Essen machen wir uns auf den Weg zum wohl schönsten Streckenabschnitt rund um den Gorge Du Verdon. Gary fährt auch gern mal auf der Rennstrecke und entsprechend zügig ist er auch mit seiner BMW R1200 GS unterwegs. Die Landschaft ist mehr als grandios, aber zwischen all den riskanten Überholmanövern bleibt leider keine Zeit um sie zu genießen. Mir wird einmal mehr klar, wenn man von einer Motorradtour mit wirklich schönen Fotos heimkehren will, darf nach sich anderen Bikern nicht anschließen und sollte entweder mit exakt Gleichgesinnten oder lieber gleich ganz allein fahren. Nur so kommt man zu den Fotos die man wirklich haben will. Alles andere sind eher „Beweisfotos“, dass man den einen oder anderen Pass, Gipfel, oder was auch immer mit dem Motorrad erreicht hat. Ganz ehrlich, solche Fotos braucht doch kein Mensch…

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Als die Aussicht besonders spektakulär wird hält Pascal schließlich aber doch noch an und lässt Gary seiner Wege ziehen. Wir werden ihn nicht wiedersehen, schade eigentlich. Yann hüpft von Papas Honda und ist regelrecht aus dem Häuschen. Er macht mit seinem Smartphone ein Foto nach dem anderen und wirkt dabei sehr glücklich. Es war die richtige Entscheidung nicht nach Nizza zu fahren!

Mir geht es mit meiner Fuji X-T1 ganz ähnlich. Nach der Session geht es auf ein letztes kaltes Getränk hinab zum See der am Ausgang de Gorge Du Verdon gelegen ist. Auf dem Weg dorthin werden wir von entgegenkommenden Fahrzeugen gewarnt, es haben sich wieder einmal Polizisten mit Radar-Pistolen im Wald versteckt. So etwas werde ich heute noch mehrfach zu sehen bekommen.

Nach einem letzten Kaltgetränk verabschieden wir uns und ich fahre mit meiner BMW K1200r Sport in Richtung Nimes. Als Routingoption habe ich „Autobahn vermeiden“ eingestellt. So komme ich schnell voran ohne Mautgebühren entrichten zu müssen. Das Straßennetz ist gut ausgebaut und an vielen Stellen kann ich die Autos auf der Autobahn sogar sehen. Sie fahren 120 ich fahre etwa 100 km/h, der Unterschied ist nicht sehr groß. Immer mal wieder durchquere ich idyllische kleine Ortschaften und nehme den Geruch des Landes in mich auf. Am Gorge der Verdon hat es ganz intensiv nach Nadelhölzern gerochen. Später nach Getreide und kurz vor Nimes riecht es dann als hätte jemand einen verschwitzten alten Motorradstiefel ausgezogen. Kurz überlege ich ob dieser Gestank von mir kommen könnte, aber ich bin wirklich unschuldig!!!

Während mein TomTom Urban Rider die Kilometer von etwa 230 an rückwärts zählt, kann ich auf der unbequemen Sitzbank meiner BMW kaum noch sitzen. Mein Hintern schmerzt, es ist kaum noch zu ertragen Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich mich nach mehr als drei Wochen endlich daran gewöhnen würde. Aber an diese Sitzbank kann man sich einfach nicht gewöhnen, man kann sie eigentlich nur austauschen oder von einem guten Sattler ändern lassen. Letzteres hatte ich eigentlich noch vor aber dann war die Zeit zu knapp und jetzt muss ich dieses übermotorisierte Foltergerät wohl noch einige tausend Kilometer lang ertragen…

Als Nimes nur noch etwa 30 Kilometer entfernt ist, sehe ich rechts neben der Landstraße ein Hotel. Das sieht gar nicht so übel aus und ich wende schnell und fahre zurück. Es gibt noch reichlich freie Zimmer und ein Einzelzimmer kostet hier 78,- Euro. Dazu kommen noch 10 Euro für Steuern und das Frühstück. Weil ich gar nicht mehr weiss wie ich auf meiner BMW noch sitzen soll, nehme ich dieses Angebot gern an. Das Hotel ist schwer witzig und scheint irgendwo in den 50er oder 60er Jahren hängen geblieben zu sein. Hier könnte man einen zweiten Teil von Alfred Hitchcocks „Der dritte Mann“ drehen. Es ist irgendwie cool und zudem sauber und angenehm klimatisiert, versprüht allerdings den Charme des deutschen Regierungsbunkers bei Ahrweiler.

Nachdem das Gepäck verstaut und mein Moped in Garage #24 geparkt ist, gibt es mehrere kleine Flaschen Bier während ich den Sonnenuntergang genieße und diesen Artikel schreibe. Irgendwann summen nur noch die Mücken um mich herum, so dass ich dieses schöne Logenplätzchen leider schlagartig verlassen muss.

Letztlich habe ich heute wieder einen genialen Tag erlebt und mit Pascal, Yann und Gary drei sehr dufte Typen kennengelernt. Es hat mir viel Spaß gemacht nicht den ganzen Tag allein zu verbringen, auch wenn heute wieder keine tollen Fotos entstanden sind. Aber dafür habe ich ja in den nächsten Tagen hoffentlich noch ausgiebig Gelegenheit.

4 Kommentare zu “Tag 23 – Gorge du Verdon

  1. […] Tag 23 – Gorge du Verdon […]

  2. Andreas Martin

    Hallo

    Super Blog . Bin zufällig darauf gestoßen . Bin diese Route 2012 auch Gefahren (französischer Teil ) . Freue mich bereits auf deine neunen Einträge.
    Weiterhin gute Fahrt und ne Menge Spaß mit netten Leuten.

    Andreas

  3. Anas

    „und zu sehen gibt es dort außer scharfen Frauen, heißen Autos, geilen Geschäften und teuren Yachten eigentlich nichts“ … oh man, bist du inzwischen verwöhnt 😀

  4. […] Tag 23 – Gorge du Verdon […]

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