Nach einem „Erholungstag“ in Perpignan geht es am frühen Morgen wieder weiter. Ein klares Ziel habe ich nicht, ich will mir einfach mal die Pyrenäen geben und schauen was mich dort so erwartet. Am Ende des Tages werde ich in eine schlimmes Unwetter geraten und pitschnass in einem winzigen Dorf unterkommen, aber erzählen wir die Geschichte von Anfang an. Die wohlige Umgebung meiner schicken Suite in Perpignan zu verlassen fällt nicht leicht…
Während der Nacht ist ein Gewitter durchgezogen. Draußen ist noch alles nass und ich habe die Hoffnung, dass es mit dem Regen für’s erste vorbei sein könnte.
Perpignan zu verlassen ist ganz einfach, vorausgesetzt man hat ein GPS am Motorrad. Falls nicht, wird man sich garantiert irgendwo verhaspeln und in einem der kleinen Vororte in einer Sackgasse landen. Ich habe mein GPS dabei, daher geht heute auch nichts schief, jedenfalls fast nichts. Vom Ortsausgang folge ich der Route des „kleinen gelben Zuges“
(Le Train Jaune).
An einer Tankstelle finde ich einen kleinen Supermarkt und eine sehr gut sortierte Buchhandlung. Trotz ernsthafter Suche kann ich leider keine Karte finden welche die Pyrenäen vollständig und auf einer Karte abdeckt. Es gibt reichlich Karten der Pyrenäen, aber alle zeigen nur Ausschnitte. Ich müsste etwa 4 Karten kaufen um die Pyrenäen vollständig abdecken zu können. Es gibt eine Art „Generaltkarte Frankreich“. Diese hört aber an der Grenze, die mitten durch die Pyrenäen verläuft, auf. Das gleiche gilt für das spanische Pendant. Es ist wie verhext.
Mein TomTom Urban Rider hat zwar nun zwar das vollständige Kartenmaterial von Frankreich UND Spanien im internen Speicher, aber ich kann nicht beide Karten gleichzeitig benutzen. Eine Planung von der einen Karte auf die Andere ist nicht möglich. Eine vollständige Europakarte hat TomTom zwar für knapp 40,- Euro im Angebot, aber sie ist so groß, dass sie nicht in den Speicher meines TomTom Urban Rider passen würde. Im Gegensatz zum älteren „normalen“ TomTom Rider (in Silber) kann man hier auch keine SD-Karte nachrüsten.
Besser als beim alten Rider ist, dass man beim Urban Rider die Option der Routenführung via „kurvenreiche Strecke“ hat, die fast immer geniale Motorradstrecken findet wenn es welche in der Umgebung gibt. Schlechter als beim alten Rider ist, dass man beim Urban Rider keine feste Orientierung der Karte nach Norden einstellen kann. Dies habe ich ganz besonders gern, wenn ich keine Route geplant habe, weil es die Orientierung auf unbekanntem Terrain oft sehr erleichtert.
So haben beide Geräte ihre Vor- und Nachteile. Der Urban Rider ist das modernere Gerät. Hier ist praktisch, dass man eine USB-Schnittstelle hat und Routen sehr einfach aufzeichnen auf sein Notebook überspielen kann. Mit dem alten Rider geht das zwar auch, aber nur auf Umwegen mit Apps von Hackern und dem Austausch der aufgezeichneten GPX Dateien via SD-Karte die man immer wieder hin und her stöpseln muss.
Der langen Rede kurzer Schluss, hier in den Pyrenäen ist der TomTom Urban Rider nahezu nutzlos! Zum Ausgleich ist meine Wegstrecke wirklich schön!
Via Internet habe ich mir noch in Perpignan einige der schönsten Pässe durch die Pyrenäen zusammen gesucht und die Passhöhen bei Google-Maps markiert. Öffne ich nun Google Maps auf meinem Telefon, so sehe ich bei jedem Pass eine kleines Sternchen, das hilft sehr bei der groben Orientierung. Der schönsten Pässe liegen relativ weit im Nord-Westen des Gebirgszuges. In der Nähe von Perpignan liegt eine schöne Passstraße, die mitten durch Andorra führt. Diese habe ich mir ausgeschaut und als ich in Andorra eintreffe muss ich kurz halten und die Karte wechseln. Danach gebe ich eine neues Ziel ein und fahre weiter.
Andorra ist ein echtes Einkaufsparadies. Die Dichte der Tankstellen ist mir großer Wahrscheinlichkeit die Höchste in ganz Europa. Es ist schlichtweg unglaublich wie viele Tankstellen es hier gibt und wie billig das Benzin hier ist. Als Diesel-Fahrer könnte man hier aktuell für etwa 0,98 Euro tanken. Benzin und Super ist nur wenig teurer, ein Paradies für Motorradfahrer und Autonarren. Allerdings nur im Bezug auf die Sprit-Preise!!
Da ich schon einige Kilometer hinter mir habe, ist es gut 13h als ich in Andorra „Downtown“ eintreffe. In einem Meer aus Hotels, Restaurants und Outlet-Shops ist vor lauter Autos praktisch kein Durchkommen. Eine dreispurige Straße windet sich stetig abwärts durch den „Zwergenstaat“ und alle Fahrspuren sind vollständig verstopft. Mit den dicken Koffern und ist es kaum möglich die schwere BMW zwischen den Autos hindurch zu schlängeln. So wird es eine echte harte Gedultsprobe. Zunächst hatte ich ja noch gedacht dort irgendwo nett einzukehren, aber letztlich ist mir alles egal und ich will hier nur noch weg. Sobald ich ein Hinweisschild mit der Aufschrift „ESPANYA“ sehe, folge ich diesem Schild.
Endlich in Spanien angekommen ist die Freue groß. Es geht eine wunderbar einsame Passstraße hinauf bis ich plötzlich im dichten Nebel kaum noch etwas sehen kann. Als dann auch noch urplötzlich Kühe auf der Straße stehen ist es genug. Ich halte an, trinke etwas Wasser, das ich noch aus Italien dabei habe und esse ein paar Kekse.
Irgendwo in der Ferne höre ich große voll fette Motoren röhren. Wenig später kommt eine Horde junger Spanier angefahren. Sie haben 5 Quads und eine Enduro. Alle sind von oben bis unten mit Dreck bespritzt und offensichtlich allerbester Laune.
Eine Minute später trifft ein Biker auf einer schönen alten BMW R80 GS ein. Er steckt in einer tollen Regenkombi und als ich ihn so anschaue bin ich etwas skeptisch was aus mir heute noch werden soll. Wir halten ein kleines Schwätzchen und ich erfahre, dass er und seine Begleitung zunächst mit zwei Motorrädern losgefahren sind und dass eines der Motorräder derzeit vom ADAC wieder nach Hause transportiert wird. Seine Begleitung sitzt auf der anderen Straßenseite in einem Mietwagen. So kann das auch gehen. In meiner Kehle ballt sich ein Kloß zusammen, während ich das höre und mir ausmale wie schwierige es werden könnte, wenn meine BMW einen Defekt hätte oder ich mich irgendwo auf die „Klappe legen“ sollte. Drücken wir die Daumen, dass nichts von dem geschieht.
Nachdem wir uns verabschiedet haben geht es weiter, aber nur für einige wenige Kilometer. Als ich am Wegesrand ein nettes Restaurant sehe, bei dem zwei Biker draußen sitzen und um die Ecke mehrere Motorräder parken, halte ich instinktiv an.
Das Restaurant ist klasse. Die Biker die draußen sitzen kommen aus Amsterdam. Ein 600er Honda und eine 1300er Yamaha mit Kennzeichen „WIL“ habe ich draußen ebenfalls gesehen. Und siehe da, diese beiden deutschen Biker lerne ich auch noch kennen. Sie haben sich das Menü 1 bestellt. Es sieht gut aus und ich ordere es ebenfalls.
Frisch gestärkt habe ich eine Stunde später das Gefühl, dass heute nichts mehr schief gehen kann, aber da liege ich leider völlig falsch.
Meine Route führt mich nach Nord-Westen. Als Fernziel habe ich Bilbao eingegeben, Autobahnen sollen natürlich vermieden werde ! Die Strecke ist grandios und es macht so richtig Spaß. Ich halte immer mal wieder hier und dort an und bestaune die krassen Wolken die sich am Horizont zusammen brauen. Doch dann ist es schlagartig mit der guten Laune vorbei als ich den ersten Donner höre und um mich herum Blitze am Himmel zucken. So sehr ich mich auch bemühe, ich gerate immer tiefer in ein krasses Unwetter hinein. Als ich schon ziemlich nass bin, kann ich mich in einem winzigen Dort in eine mittelalterliche Unterführung retten. Hier stehe ich nun fast eine Stunde lang und warte bis das Gewitter weitergezogen ist. Als ich wieder losfahren kann, liegt an vielen Stellen Schlamm und Geröll auf der Fahrtbahn, was gar nicht witzig ist. Während ich weiterfahre, hole ich blöderweise das Gewitter wieder ein. Umzukehren hat kaum Sinn, denn dort gibt es kein Hotel, keine Tankstelle, nichts. Also halte ich im Regen kurz an und schaue auf meinem TomTom Urban Rider welche Hotels in der Nähe sind. Das nächstgelegene Hotel ist etwa 20 Kilometer entfernt, das sollte zu schaffen sein. Während ich die Zähne zusammenbeiße und mir kaltes Wasser langsam aber sicher in den Schritt läuft, zählt das TomTom die verbleibenden Kilometer langsam aber stetig herunter.
Gegenüber vom Hotel ist ein kleines Bistro, es scheint zum Hotel zu gehören. Im Eingang steht eine sehr nette etwas ältere Dame. Als ich mein Motorrad im strömenden Regen abgestellt habe, winkt sie mich heran und fragt mich auf Spanisch, ob ich ein Zimmer brauche. Klar brauche ich das, sie schaut mich an und es liegt Mitleid in ihrem Blick. Sie geht kurz rein und ruft etwas die Treppe hinauf, holt einen Schlüssel und zeigt mir auf der anderen Straßenseite mein Zimmer. Danach zeigt mir mir noch die Garage in der ich mein „Moto“ abstellen kann. Die Garage wird per Funk geöffnet und geschlossen, sie drückt mir den „Funk-Schlüssel“ in die Hand und bittet mich ihn ihr später zurückzugeben. Nachdem ich meine Sachen im strömenden Regen vom Motorrad geholt und in den Hauseingang des Hotels gestellt habe, parke ich mein Motorrad. In der Garage steht schon ein BMW X3 und eine ganze Reihe Kinderfahrräder sowie einige andere private Dinge. Es ist schon ein großer Vertrauensvorschub, dass ich hier allein wirken und mein Motorrad parken darf.
Als ich schließlich alles auf mein Zimmer getragen habe bin ich überglücklich, dass ich die nassen kalten Sachen endlich ausziehen kann. Mit trockener Kleidung geht es kurz darauf in das kleine Bistro auf der anderen Straßenseite. Bei einem Bier und einigen leckeren Kleinigkeiten lasse ich den Abend ausklingen. Dieses schöne kleine Hotel und diese unglaublich nette ältere Dame haben mich heute gerettet.
[…] Tag 26 – Andorra und die Pyrenäen (Neu) […]