Tag 35 – Von Lissabon auf die Azoren

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Wer in dieser Welt so richtig wichtig sein will, der zückt im Flugzeug während die anderen Gäste sich an faden Snacks laben, seinen Laptop und tippt irgendetwas darauf. Was genau man da tippt ist eher unwichtig, wichtig ist nur, dass man etwas tippt. Das ist jedenfalls meine Wahrnehmung. Heute bin ich auch mal wichtig, das erste Mal in meinem Leben. Es war ein langer Tag, ich sitze im Flugzeug und ich habe zwei Stunden bis wir in Ponta Delgada auf den Azoren landen werden und ich trage natürlich eine Sonnenbrille (Zitat: Blues Brothers)

Also los… Der Tag beginnt wie der Tag zuvor. Ich bin irgendwie unausgeschlafen. In der Nacht wurde wieder zentral die Klimaanlage abgestellt. Am Morgen ist es daher feucht und stickig in meinem Zimmer. Die etwas längere Zeit für ein ausgiebiges Duschbad trägt nicht zur Besserung der Situation bei. Aber egal, es geht in die kleine Bar mit den winzigen Tischen und den Hockern die aus einem Kindergarten stammen könnten. Es gibt wieder ein Brötchen mit etwas Schinken und Käse, dazu Orangensaft und Kaffee. Heute habe ich eine Kaffeekanne erwischt mit der man den Kaffee einfach nicht eingießen kann, ohne, dass etwa die Hälfte außen an der Kanne herunter sabbert. Es ist eine riesige Schweinerei, aber ich habe zum Glück eine winzig kleine Serviette.

Derart gestärkt kann der Tag beginnen. Zwei Tage zuvor hatte ich mir abends einen Flug mit Ryanair auf die Azoren gebucht. Es gab mehrere Optionen und die Flugzeiten wurden in einer Tabelle von oben nach unten aufgelistet und die verfügbaren Preise gleich daneben von links nach rechts. So konnte ich lesen, dass es einen Flug um 10:10 und einen um 21:45 geben würde. In der Spalte mit den Preisen konnte man unter den Preisen ein Häkchen setzen. Blöderweise stand bei den Preisen neben dem Flug um 10:10 ein Symbol das symbolisieren sollte, dass dieser Flug ausgebucht und nicht mehr verfügbar ist. Ihn dann noch anzuzeigen ist überflüssig und verwirrend. So habe ich dann mehr oder weniger versehentlich einen Flug gebucht der um 21:45 starten und um 23:10 auf den Azoren eintreffen soll. Das ist gleich mehrfach blöd, denn zum einen habe ich einen ganzen Tag an dem ich nicht so genau weiß wohin mit meinem Gepäck und ich komme am Ziel so spät an, dass kein Autovermieter mehr geöffnet hat.

Über die Webseite des Autovermittlers www.billiger-mietwagen.de sah es zunächst so aus, als würde es zum Preis von etwas über 300 Euro einen Peugeot 2008 geben. Ein kleiner Pseudo-SUV den ich immer schon mal ausprobieren wollte. Aber letztlich hat der Vermittler meine Buchung dann storniert. Weil er freundlich ist sogar kostenlos!! So stand ich dann am Tag vor der Reise auf die Azoren ganz ohne Mietwagen da und hatte ein Hotel gebucht das im äußersten Süd-Osten der Insel gelegen ist, satte 57. Kilometer vom Flughafen entfernt. Was tun? So sehr ich mich auch bemüht habe, es gab lediglich ein Angebot für einen Peugeot 508 zum Preis von über 600 Euro für drei Tage. Das war mir echt ein bisschen zu teuer. So habe ich mir PLAN-B überlegt: Um Mitternacht mit dem Taxi zum Hotel, ausgiebig schlafen, frühstücken und am nächsten Tag um 12:00 mit dem Taxi zurück und dann einen Wagen anmieten.

Über die Webseite eines anderen Vermittlers bin ich dann auf den gleichen Vermieter gestoßen. Autatlantis hat scheinbar doch noch Fahrzeuge im Angebot, nur eben nicht mitten in der Nacht. Na schauen wir mal ob das klappt. Wenn es nicht klappt, kann ich mir vielleicht irgendwo einen Roller mieten, das wäre auch mal ganz witzig.

Nach dem Frühstück habe ich ein etwas längeres Gespräch mit einer resoluten jungen Frau an der Rezeption des Hotels. Sie spricht teils leise und ein Englisch mit einem portugiesischen Akzent, das außerdem noch schnell. Teilweise verstehe ich nicht auf anhieh was sie sagt, die Gründe sind neben der Geschwindigkeit eben die Lautstärke. Damit habe ich ein grundsätzliches Problem, wenn sich in meiner Gegenwart jemand sehr leise etwas in den bart nuschelt verstehe ich einfach nichts. Ich sehe und höre, dass er spricht, aber ich kann die Worte eben nicht auseinander halte. Frauen mit durchdringend lauten Stimmen verstehe ich in der Regel bestens, in Abhängigkeit von den Gesprächsinhalten, das versteht sich.

Jedenfalls schlägt unser Gespräch ein höchst seltsame Richtung ein, als sie nach einer weiteren Wiederholung fragt ob mein Englisch vielleicht zu schlecht sei um damit auf Reisen zu gehen. Wumms, das hat gesessen und ich bin jetzt ziemlich angefressen. Auf meine Frage ob sie mir den Schlüssel für die Garage geben kann, damit ich wie vereinbart mein Gepäck schon einmal dort abstellen kann wird sie etwas schnippisch. Das geht nur wenn sie auch dabei ist. Na prima, dann warte ich eben.

Und ich muss noch lange warten, den mein Flug geht erst um 21:45 und es ist gerade mal kurz nach 10h am Morgen.

Als ich dann alles beisammen habe, meine Getränke des Vortages bezahlt habe usw. kommen wir doch noch ins Gespräch und ich habe die Gelegenheit ihr meine Reise zu erklären. Sie scheint das irgendwie cool zu finden und langsam aber sicher lichten sich ihre Gesichtszüge. Sie erzählt mir, dass sie einen Freund auf den Azoren hat der seit langem immer wieder sagt, dass sie ihn doch besuchen kommen soll. Das Wetter wäre bestens, die Landschaft schön und das Essens sehr gut. Das höre ich natürlich wirklich gern und nach meinem Abenteuer auf Madeira will ich gern glauben, dass das Essen auf den Azoren gut ist 🙂

Letztlich schaffen wir es mein Gepäck in der Garage abzustellen und die Bordkarten nach meinen Online-CheckIn auszudrucken. Es soll ein heißer Tag werden und während wir gemeinsam überlegen wie ich die Zeit bis zum Abflug totschlagen könnte, rät sie mir doch an den Strand zu fahren. Das ist eine Idee, warum soll ich mich bei fast 40°C in der überhitzten Altstadt herumtreiben, wenn ich mir eine kühle Meeresbrise durch die Haare wehen lassen kann. Um 11h bin ich unterwegs. Das Thermometer zeigt schon 32°C und ich habe meine Lederkombi in der Garage. Egal, der Nierengurt steckt im Helm und viel mehr brauche ich heute nicht.

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Als ich mich durch die Innenstadt quäle klettert das Thermometer immer weiter nach oben. Es scheint kaum eine Grenze zu geben. War es anfangs noch ganz ok, so ist mir trotz der leichten Bekleidung bei 39°C so richtig unangenehm warm. Am „River“ angekommen wird es aber schnell besser. Hier weht ein frischer Wind und es sind letztlich etwas 28°C, das macht jetzt so richtig Spaß. Ich fahre in westlicher Richtung am südlichem Rand der Innenstadt vorbei. Links von mir sind alte Befestigungsanlagen zu sehen. Dazwischen immer wieder schöne lange Strände die mit hunderten bunter Sonnenschirme übersät sind.

Als ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Restaurant sehe das einen netten Eindruck macht, drehe ich beim nächsten Kreisverkehr um und fahre zurück. Als ich das Restaurant betreute habe ich das Gefühl komplett falsch zu sein. Ein älterer Herr sitzt an einem großen schwarzen Flügen und spielt leise Klavier. Alle Tische sind frei eingedeckt, die Kellnerinnen sehen aus wie Fotomodelle und von einem adrett gekleideten Herren werde ich gefragt ob ich denn reserviert habe. Ich bin etwas verdutzt und frage auf Englisch ob ich vielleicht etwas zu trinken und zu essen bekommen kann. „Aber natürlich, wo möchten Sie sitzen?“ „Au Backe, das wird teuer…“ schießt es mir durch den Kopf während ich zwischen den anderen Gästen die allesamt wegen des Sonntags schick angezogen sind, zu meinem Tisch marschiere. Aber da muss ich jetzt durch, ich kann das ja, nur in meiner verschwitzen Jeans mit meinem „Motto T-Shirt“ fühle ich mich trotzdem deplatziert.

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Meinem jungen Kellner scheint das egal zu sein. Er ist total nett und wir unterhalten uns ein wenig. Ich habe Gelegenheit kurz zu erzählen, dass ich eine lange Motorradtour mache, er erzählt mir, dass er eine längere Zeit in einem Hotel im Schwarzwald gearbeitet hat. Die Welt ist klein.

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Ich suche mir die gegrillte Dorado aus, dazu eine gebackene Kartoffel und Gemüse. Als Vorspeise gibt es ein Brötchen und eine unglaublich leckere Creme mit Tunfisch, genial. Die Dorade wird am Tisch filetiert und auf einem wunderbar heißen Teller serviert. Es schmeckt göttlich und ich bin mit der Wahl des Restaurants schnell versöhnt. Als Nachtisch noch eine Portion Tiramisu und einen Espresso, schon ist der Tag mein Freund. Gegen den Durst noch eine Cola und schon bin ich inkl. Trinkgeld um 40,- Euro leichter. Aber lecker war es wirklich…

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Es geht zurück, ich fahre wieder am Meer entlang. Es macht Spaß und ich könnte das den ganzen Tag lang machen. Einfach mit 50 km/h am Meer entlang rollen, geil! Aber ich muss zum Hotel. Mein Plan ist es, die Straße am „River“ so weit zu fahren, bis ich auf gleicher Höhe östlich des Hotels bin, um dann auf der großen Straße, die ich bei Google-Maps gesehen habe, nach links in Richtung Flughafen abzubiegen. Das klappt auch eine Weile recht gut, bis eben diese Straße von der Polizei komplett abgeriegelt ist. Vielleicht findet dort eine Veranstaltung statt, wer weiß. Es ist jedenfalls ein heilloses Durcheinander, es wollten wohl noch eine Autofahrer außer mir diesen Weg nehmen. Nach einer halben Ewigkeit drehe ich schließlich unter den Augen der Polizisten reichlich regelwidrig um und fahre wieder zurück bis ich die Altstadt erreiche. Dort kann ich nach rechts abbiegen und mein TomTom Rider führt mich zurück zum Hotel. Als ich auf der Stadtautobahn bin zeigt das Thermometer sagenhafte 41°C an. Boah, ich falle gleich vom Motorrad, was für eine Hitze. Beim Hotel angekommen sind es noch 39°C, immer noch viel zu viel. Schnell parke ich mein Bike im Schatten und hole den Schlüssel für die Garage. Inzwischen darf ich schon ganz allein hinein!

Nachdem alles verstaut ist und ich eigentlich klar für den Weg zum Flughafen wäre ist noch richtig viel heiße Zeit die ich totschlagen muss. Es wäre so cool gewesen um 10:10 zu fliegen…

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Bei einigen Flaschen Bier, die ich mit Cola aufmische, sitze ich in der ganz brauchbar klimatisierten Lobby des Hotels und warte, dass es Abend wird. Mir ist langweilig, total langweilig. Mit meinem Laptop und meinem Telefon will ich nicht zuviel herum hantieren, den gespeicherten Strom brauche ich vielleicht noch unterwegs. Also trinke ich ein Bier nach dem anderen und schaue mir die endlosen Musikvideos an die über den kleinen Röhrenfernseher flimmern.

Als es endlich 18h geworden ist bezahle ich mein Bier schnappe mir meinen Rucksack, die große, viel zu schwere Kameratasche und mache mich zu Fuß auf den Weg zum Flughafen. Das Hotel liegt echt ideal, ich laufe keine zehn Minuten und bin trotzdem voll verschwitzt als ich die Eingangshalle betrete.

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Weil ich schon online eingecheckt habe, kann ich gleich zur Sicherheitskontrolle gehen. Da klappt auch alles prima, bis einem der Sicherheitsleute etwas in meinem Rucksack auffällt. Eine Dame bittet mich ihn prüfen zu dürfen. Sie kramt echt alles aus meinem Rucksack heraus. T-Shirts, Socken, Unterhosen, Stativ, Pillen gegen zu hohen Blutdruck, Pillen gegen Allergien, Pillen gegen Kopfweh, Augentropfen, Spray gegen Mücken, ihr bleibt nichts verborgen. Letztlich muss ich meinen Rasierschaum wegwerfen, weil in der Dose mal 200ml waren…

Das hochgiftige Eclipse zur Reinigung des Sensors meiner Kamera hat sie übrigens nicht entdeckt 🙂

Nach der Sicherheitskontrolle versuche ich herauszufinden zu welchem Gate ich muss. Letztlich stelle ich fest, dass das Gate erst um 20:30 vergeben wird. Bei allen anderen Flügen ist es ähnlich und das hat Methode. Denn so sitzen die Reisenden nicht einsam und sparsam an ihren Gates herum, so sitzen sie vor den Monitoren auf denen die Gates angezeigt werden. Dass selbige in eine gigantische Einkaufs- und Fressmeile integriert sind, versteht sich wohl von allein.

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Pünktlich um 20:30 wird das Gate ausgewiesen, ich muss zum Gate 16. Dort warte ich ein halbe Ewigkeit bis es endlich in den Flieger geht. Die Maschine füllt sich langsam aber sicher und tatsächlich habe ich eine ganze Reihe für mich allein, super!!

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Als wir endlich starten können haben wir fast eine Stunde Verspätung, ich werde also erst irgendwann nach Mitternacht landen und dann mit dem Taxi rund 90 Minuten zum Hotel fahren müssen, na prima. Aber wenigstens kann ich etwas Musik hören, denn in einem der Läden habe ich mir noch schnell einen billigen AKG Ohrhörer gekauft. Ich habe zwar irre viele von den kleinen Dingern, aber irgendwie haben sie es alle nicht nicht auf die Motorradtour geschafft. Sehr ärgerlich, die 29,99 Euro hätte ich mir auch sparen können. Aber so kann ich jetzt auch mal abends im Hotel etwas Musik hören, das ist sicher auch ganz nett.

Es ist jetzt Mitternacht und eigentlich sollten wir schon auf den Azoren sein. Oder ist das schon  wieder eine andere Zeitzone?

Nach der Landung

Ja es ist hier eine andere Zeitzone! Trotz der Verspätung beim Abflug sind wir statt um 23:10 um 23:30 gelandet. Weil ich nur Handgepäck habe kann ich direkt zu den Taxis laufen. Gleich vor mit hält ein ganz neuer Citroen C5. Solch ein Auto habe ich als Taxi auf noch nicht gesehen, daher bin ich sehr gespannt wie er wohl fahren wird. Und er fährt wirklich gut. Ich selbst hatte früher mal einen Citroen Xantia und ich habe ihn geliebt. Dieser C5 könnte mir als entspannte Reiselimousine wirklich gefallen.

Als wir am „Hotel do Mar“ ankommen ist es schon nach 1h, also ganz arg früh am Morgen. Im Hotel werde ich schon von Diogo Cordeiro erwartet. Wir haben am Vortag einige E-Mails ausgetauscht in denen es um das Problem mit dem Mietwagen ging. Er hat daraufhin einen Blick in meinen BLOG geworfen und mich sofort an meinem T-Short mit dem großen Aufdruck „100 DAYS IF FREEDOM“ erkannt. So sind diese Shirts doch für etwas gut 🙂

In meinem Hotelzimmer #113 angekommen bin ich mehr als froh, dass ich diesen langen Tag so gut überstanden habe. Noch schnell die Zähne putzen und dann ab in das wunderbar große Bett. Was für ein Tag…

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3 Kommentare zu “Tag 35 – Von Lissabon auf die Azoren

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  3. Thomas H.

    Interessanter Artikel. Fand ich gut. Allerdings würde ich hier für Mietwagen auch eine Gesellschaft nennen, die ihre Steuern in de zahlen. Da gibt es einig, wie mietwagen24, fti, mietwagen, http://www.mietwagenvergleich.de.

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