Der letzte Arbeitstag

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Im Juni 2007 erhielt ich einen Anruf eines früheren Arbeitskollegen. Bei einem Kunden in Mainz war „Holland in Not“ und ich wurde gefragt ob ich dort nicht mit einem Umfang von 20 Tagen ein halbfertiges Stück Software „reparieren“ könnte.

Mein Projekt bei der Bundesdruckerei in Berlin war fast beendet und so habe ich mich über dieses neue Projekt sehr gefreut. Irgendwie sind aus diesen anfänglichen 20 Tagen dann volle 8 Jahre geworden. Am 30 Juni sollte nun der letzte Tag sein. Ich konnte es in den letzten Wochen gar nicht so recht glauben. Alles war wie immer, alle Mitarbeiter des Kunden überaus freundlich und zuvorkommend. Meine „externen Kollegen“ frech und agil wie immer. Projektende am 30 Juni? Das ging in meinen Kopf nicht so recht hinein. Zu sehr fühlte ich mich inzwischen mit diesem Kunden und allen den Menschen verbunden. Doch manchmal sind Gefühle trügerisch und so kam er dann tatsächlich, der letzte Arbeitstag.

Meinen Kumpel Fabian habe ich auch in diesem Projekt kennengelernt. So verschieden wir auch sind, meist haben wir uns etwas zu erzählen. Vielleicht liegt es daran, dass er mein Sohn sein könnte und ich cooler bin als der Vater mit dem er ständig im Clinch liegt? Genau weiß ich es nicht und letztlich ist es auch egal. Jedenfalls kommt vor dem letzten Arbeitstag – richtig geraten – der vorletzte Arbeitstag. Und das war ein Montag…

Nach dem Mittagessen war das Wetter wunderbar und so haben wir zu Fuß eine kleine Runde durch die Felder vor dem Bürogebäude gedreht. Dabei wurde wie üblich herum gealbert und viel unwichtiges Zeug erzählt. Später beim Kaffee war Fabian bereit für ein kleines „Abschiedsvideo“. Ich hatte mein HTC ONE M8 in der Hosentasche und obwohl Fabian es nicht mag, (weil es ein wenig schwul aussieht) haben wir uns ausnahmsweise nebeneinander auf eines der „Sofas“ in der Kantine gehockt. Mein Telefon haben wir an einen der Pfefferstreuer angelehnt und so haben wir ganz spontan dieses Abschiedsvideo aufgenommen. Fabian ist übrigens unter dem Pseudonym „Rainer Schauder“ bei YouTube sehr aktiv.

Am nächsten Tag kam was unausweichlich war und mir lange Zeit so surreal erschien, es war tatsächlich Dienstag.

Grundsätzlich ist ein Dienstag nichts schlimmes, aber es war mein letzter Dienstag in diesem Gebäude, mit diesen Menschen und den Dingen die ich nun acht Jahre lang gemacht hatte. Nach dem Mittagessen lud mich dann mein Kollege Gregor zu einer kleinen Probefahrt mit seinem extrem coolen Elektroauto ein. Es ist ein TWIKE, schon mal gehört? Es war schon im Vorfeld abgesprochen und so hatte ich eine GoPro 3+ Black Edition und meine neue GoPro 4 dabei. Die GoPro 3+ habe ich in auf dem „Dach“ des TWIKE montiert und die 4er GoPro auf ein kleines Stativ geschraubt, so dass ich sie gut halten konnte. Es war nicht viel Zeit und so mussten wir alles ganz schnell improvisieren. Das Ergebnis gefällt mir trotzdem sehr gut, denn es ist LIVE und es ist ECHT, es ist so wie das Leben.

Ob es künftig noch einmal ein gemeinsames Video mit Fabian alias „Rainer Schauder“ wie das folgende Video geben wird, das ist leider mehr als fraglich.

Aber nach meiner großen Reise kann ich immer noch schauen wie es beruflich weitergehen wird. Wer weiß, vielleicht verschlägt es mich erneut für ein paar Jahre nach Mainz. Dann könnte ich mein kleines Appartement wieder bewohnen, dort meine Youtube-Videos aufnehmen und die Freude die ich hier in den letzten Jahren gewonnen habe wieder treffen. Schauen wir mal.

Während ich mein Büro aufräume und meine wenigen privaten Dinge zu meinem Auto bringe, kommt mir das geniale Intro des Films „About Schmidt“ mit Jack Nicholson in den Sinn.

Nachdem mein Notebook abgegeben ist geht es ein letztes Mal kurz zu Karin, sie bekommt meine Zugangskarte. Danach kann ich keine Türe mehr öffnen und mir bleibt nur noch der Weg in die Tiefgarage. Mein sehr cooler Bürokollege Aren soll meine Aufgaben künftig übernehmen. Er hat noch einige letzte Fragen. Während ich neben ihm sitze und versuche dies und das zu erklären, bin ich in meinen Gedanken aber bei „About Schmidt“ und warte insgeheim wie Jack Nicholson darauf, dass der Sekundenzeiger endlich auf 17h umspringt…

Für 19h habe ich im wahrscheinlich besten Steak-House in Mainz einen Tisch reserviert. Das El Chico ist für seine exzellenten Filet-Steaks bekannt. Da noch etwas Zeit ist, fahre ich schnell zu meinem kleinen Appartement und nutze die Stunde die mir bleibt um das Video der Probefahrt mit dem TWIKE TW617 zu schneiden. Während mein Mac das Video bei YouTube hochlädt bin ich kurz darauf mit meiner BMW K1200r Sport unterwegs zum El Chico. Es ist sommerlich warm, ich habe auf die dicke Biker-Lederhose verzichtet und genieße die wenigen Kilometer in die Stadt hinein. „About Schmidt“ ist schon fast vergessen, ich bin nicht mehr wehmütig, ich fühle mich einfach gut und freue mich auf die Abenteuer die ab der nächsten Woche auf mich warten.

Beim El Chico angekommen ist es wieder einmal genial, dass mein Motorrad in die kleinste Lücke passt. Meine Kollegen sind schon da und die Steaks sind grandios wie immer. Als es an das Abschiedsgeschenk geht rechne ich mit einem dieser „Mainzer Teller“. Ein Teller mit einem Mainzer Motiv und goldenem Rand, so wie es sie im Souvenier-Shop im Bahnhof zu kaufen gibt. Diese Dinger sind inzwischen fast eine Tradition für Mitarbeiter die das Projekt verlassen. Und so staune ich nicht schlecht, dass ich keinen Teller bekomme! Die Kollegen haben die Köpfe zusammengesteckt und wirklich viel Geld gesammelt. Ich bekomme einen LOUIS Einkaufsgutschein. Wow, ich bin überrascht, kein Teller, statt dessen ein paar schöne Gadgets für meine Reise. Das passt prima.

Am nächsten Tag habe ich noch einen Massage-Termin. Mein Physiotherapeut und Freund Hermann hat „heilende Hände.“ Seit ich regelmäßig bei ihm zur Massage gehe habe ich keine Kopfschmerzen mehr. Während der Massage kommt es mir in den Sinn, dass es auch diese Massagen nun nicht mehr geben wird. Mist Mist Mist…

Nach einem Frühstück beim Bäcker auf der anderen Straßenseite geht es zur LOUIS-Filiale an der Wormser Straße. Meinen Gutschein wandle ich dort in einige schöne Biker-Shirts, ein neues Halstuch, Lederreiniger für meine Motorradkombi und andere praktische Dinge um. Auf dem Weg zu meinem Appartement keimt langsam aber sicher dieses „Easy Rider Feeling“ auf. Mit etwas Glück bekomme ich sogar noch einen Termin beim Frisör um die Ecke. Danach wird Leergut weggebracht und mein kleines Appartement aufgeräumt. Später werde ich noch waschen und putzen. Sobald das alles erledigt ist steht noch ein Besuch bei meiner Familie im Ruhrgebiet auf dem Programm. In der nächsten Woche kann es dann eigentlich losgehen.

Ein Kommentar zu “Der letzte Arbeitstag

  1. Martin

    Hallo Ansgar,
    eine schöne Geschichte, irgendwann ist immer der letzte Tag 😉

    Ich freue mich jetzt schon auf Deinen Reisebericht über Deine Motorrad-Tour – da sind ja hoffentlich auch viele Bilder mit dabei 😉

    Viele Grüße,
    Martin

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