Tag 96 – Die DIETER Therapie

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Als ich am Morgen aufwache scheint wieder die Sonne in mein Appartement. Es gibt zwar eine kleine elektrisch betriebene kleine Heizung, aber man braucht sie hier nur extrem selten. Auf den Kanaren gibt es an den meisten Tages des Jahren eine Schönwettergarantie und das liebe ich hier so sehr .

Als ich langsam wach geworden bin und auf meinem Telefon schaue was meine vielen Freunde alles in den letzten Stunden gepostet haben, fällt mir dort ein Video zum Thema Glück auf. Das Video soll super sein und mir die Augen öffnen, vielleicht man ganzes Leben verändert. Hey man, das muss ich sehen…

Während ich das Video anschaue denke ich „Warum macht er diese unerträglich langen Sprechpausen?“ Ok, es ist ein Stilmittel. Zum Ende des Vortrages wird er immer schneller und baut auch noch einige witzige Gags ein. Während ich zuhöre kommt mir der Film „Up in the Air“ mit George Clooney in den Sinn. In diesem Film hält George Clooney einen ähnlichen Vortrag und zwar immer wieder, für viel Geld vor meist gelangweilten Zuhörern. Sein Stickmuster ist immer wieder gleich. Er stellt einen Rucksack auf den Tisch und sagt den Zuhörern, dass sie sich vorstellen sollen sie müssten diesen Rucksack auf dem Rücken tragen. In diesen Rucksack sollen sie alles hineinstecken was ihnen im Leben wichtig ist. Das Sofa, das Auto, den Fernseher, einfach alles. Später fragt er sie dann, ob sie das Gewicht spüren und ob sie das Gefühl haben diesen Rucksack noch tragen zu können.

Mein Rucksack ist derzeit wirklich primitiv. Ich habe T-Shirts und Unterwäsche für eine Woche dabei. Im Bad steht etwas Handwaschmittel, alle zwei Tage wasche ich zwei Hemden usw. kräftig durch und hänge sie nach draußen. Am Abend sind sie wieder trocken. Ich habe nun fast 100 Tage lang kein Radio gehört und kein Fernsehen geschaut. Ich lebe ohne Netflix, Watchever und amazon Prime Video, weil es „in diesem Land nicht verfügbar ist“.

Meine Familie sehe ich mit einigen kurzen Ausnahmen gar nicht. Das fällt schwer, aber wenn man auf Reisen ist, dann ist das eben so. Ich kann nicht 100 Tage und länger meine ganze Familie und alle die ich liebe mitnehmen. Auch prasselt täglich neues auf mich ein, ich habe gar keine Zeit nachdenklich oder traurig zu sein, so vermisse ich auch nichts, es sei denn ich werde daran erinnert, dass ich vermisst werde.

Aktuell bin ich sehr glücklich, obwohl ich das eigentlich schon immer war. Daher habe ich auch noch keinen bezahlten Vortrag zu diesem Thema gehört oder ein Seminar besucht. Auch habe ich mein Leben nicht zigfach geändert um endlich glücklich zu sein. Von den Seminaren zu diesem Thema lebt eine ganze Branche. Überall werden große Events veranstaltet und die Zuhörer hoffen dort endlich ein Rezept zum eigenen Glück zu finden. Im Film „Magnolia“ wird dies ganz herrlich auf die Spitze getrieben. Tom Cruise spielt einen Typen der Vorträge für Männer hält die im Leben nicht klarkommen, vielleicht seine beste Rolle aller Zeiten. Im Film kommt später heraus, dass sein gesamtes Leben eine einzige große Lüge war und dass er selbst eher ein Verlierer ist. Wie seine Vorträge im Film inszeniert werden, das haut mich immer wieder um, aber seht selbst.

Während ich den Vortrag von DIETER Lange anschaue, fällt mir auf den großen Bildschirmen links und rechts der Bühne die Schreibweise auf und das Wort DIETER sticht dabei krass heraus. Es fällt mir schwer mich auf seinen Vortrag zu konzentrieren, denn ich muss die ganze Zeit an einen nicht ganz ernst gemeinten Beitrag des NDR denken, die DIETER-Therapie.

Versteht Ihr was ich meine?

Als Kind habe ich sie geliebt, die italienische Fernsehsendung „Herr Rossi sucht das Glück“. Wenn ich es mir heute anschaue wird schnell klar warum es eine sehr lange Fernsehserie geworden ist, man kann das Glück nicht finden indem man es sucht. Deshalb kann man auch so ausschweifend und vortrefflich darüber diskutieren und schöne lange teure Vorträge zu diesem Thema halten.

Vor einigen Jahren habe ich im Radio ein Interview mit einem Professor für irgendwas gehört, der eine sehr provokative These aufgestellt und vertreten hat.

Man wird glücklich geboren oder eben nicht.

Fertig, aus, ganz einfach… Das musste ich eine Weile auf mich wirken lassen und habe mir dann überlegt ob ich glücklich geboren wurde? Und ja, ich bin ein fröhlicher glücklicher Mensch. Oft sprudelt es sogar derart aus mir hervor, dass ich meine Umwelt damit überfordere. Aber ich bin eben glücklich und dadurch auch fast immer sehr fröhlich.

Deprimiert daheim zu sitzen und nichts mit mir anfangen können, das kenne ich überhaupt nicht. Mir ist auch nie langweilig. Wenn ich nichts zu tun habe, dann kann ich Musik hören, fotografieren gehen oder etwas anders machen. Vielleicht mal wieder ein wenig auf meinem Klavier spielen oder eine meiner Gitarren abstauben. Ok ok, mal das Bad zu putzen wäre auch nicht verkehrt und natürlich sehr sinnvoll, aber wer macht das schon gern…

Im Vortrag sagt Dieter Lange, dass man nicht glücklich wird indem man ein Leben lang irgendwelchen Zielen hinterher rennt. Eine einfache aber richtige Erkenntnis. Im seinem Buch „Ende Gelände – 55.000 Kilometer von Alaska nach Feuerland“ beschreibt Matthias Herwagen die Ankunft am Ziel seiner Reise ganz ähnlich. Nach langen Monaten auf der Straße war er endlich am südlichsten Zipfel angekommen und was gibt es dort? Ein Hochgefühl, totales Glück, irgendwas in der Richtung? Nein, er ist einfach nur dort angekommen, mehr nicht aber auch nicht weniger.

So ist das auch mit meiner Reise. Wirklich ankommen will ich gar nicht und muss es auch nicht. Es geht darum Länder zu sehen die man noch nicht kannte, lustige Leute kennenzulernen, mit dem Motorrad Straßen mit schier endlosen Kurven zu finden und bei alle dem glücklich zu sein. Diese Eindrücke kann mir niemand nehmen und alles was ich unterwegs erlebt habe trägt derzeit dazu bei, dass ich gelassen und glücklich bin. Ich brauche keine bezahlten Seminare in denen mir jemand Dinge erzählt die ich schon weiß oder mir Zitate und lateinische Sprüche um die Ohren haut.

Mein Rezept für alle die im Leben unglücklich sind lautet: Etwas Geld sparen, nach Möglichkeit die „heimischen Kosten“ minimieren und reisen, je länger und weiter desto besser. Nichts ist erfüllender als neue Länder zu erforschen und neue Menschen kennenzulernen. Dass solche Reisen nicht extrem teuer sein müssen, das beweisen beispielsweise meine Freunde Montse & Alberto auf El Hierro. Sie leben einfach und sparen an allen Ecken und Kanten, aber sie sind dabei nicht unglücklich, jedenfalls wirkt es so. Und seit vielen Jahren unternehmen sie in jedem Jahr eine echt große Reise. Zuletzt fast drei Monate lang mit dem Motorrad von El Hierro bis zum Nordkapp und wieder zurück.

Glück findet man nicht in Vorträgen und Motivationsseminaren, das Glück liegt auf der Straße, man muss sich nur aus dem Sofa quälen! Schon ist es da das Glück, immer und überall und manchmal sogar völlig kostenlos…

Ansgar-Coyote-Buttes-North-The-Wave

8 Kommentare zu “Tag 96 – Die DIETER Therapie

  1. Ein tolles Statement, das ich voll und ganz teile als ewige Optimistin mit dem halb vollem Glas. 😉
    Viele Grüße, Sylvia

  2. Anas

    DIETER ist gut darin andere zu zitieren, wie er anmerkt sagt er nichts was man nicht ohnehin bereits weiß. Ich denke man braucht Ziele, wie auch immer die aussehen.

    Nehmen wie Ansgar H. aus B. : er wollte 100 Tage weg, und als das Ziel quasi erreichte, hat er auf 150 Tage erhöht. Man munkelt das ist noch lange nicht das Ende 🙂

  3. […] in einem neuen Projekt zu stehen und wie die letzten Jahre täglich zu arbeiten. Im Artikel zur „DIETER Therapie“ habe ich vor einigen Tagen ein YouTube-Video von Motivationstrainer Dieter Lange verknüpft. So […]

  4. Anas

    Ich denke man braucht Ziele, wie auch immer die aussehen.

    Nehmen wie Ansgar H. aus B. : er wollte 100 Tage weg, und als das Ziel quasi erreichte, hat er auf 150 Tage erhöht. Man munkelt das ist noch lange nicht das Ende 🙂

    • Auch wenn ich nicht DIETER heiße, meine Motorradreise ist eine geniale Therapie gegen den langweiligen Alltag im Büro 🙂

  5. Anas

    Ich denke man muss sich immer wieder Ziele setzen.

    Nehmen wir doch mal Ansgar H. aus B. als positives Beispiel: er wollte 100 Tage weg, und hat auf 150+ Tage erhöht 😉

    • Hi Anas, habe Deine Kommentare eben im Spamfilter gefunden. Ich hoffe ich habe nichts übersehen und sie alle gerettet 🙂 Danke Dir!!

  6. […] Tag 96 – Die DIETER Therapie […]

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