Am Abend zuvor dachte ich irgendwann „Hey, was spritzt denn da an mein Bein?“ Es waren Regentropfen die innen am Fenster herunterliefen und auf den Bodenfliesen zerplatzten. Draußen zog ein Sturmtief durch und der Regen war so heftig, dass ich letztlich gegen Mitternacht an meinem Tisch in der Küche in einer kleinen Pfütze gesessen habe. Das habe ich echt noch nicht gesehen.
Im Jahr 2005 habe ich auf Teneriffa den Tropensturm „Delta“ miterlebt. Es war damals unglaublich heiß und es flogen Sonnenschirme und Dachziegel durch die Luft. Im Süden der Insel sind damals reihenweise die Strommasten umgeknickt und große Teile der Insel waren mehrere Tage lang ohne Strom, ein Desaster! Wenn ich heutzutage über die Autobahn zum Flughafen fahre und die neuen robusten Strommasten sehe, muss ich immer wieder an diesen Sturm denken. Hier auf La Gomera ist es diesmal aber lange nicht so schlimm. Daher bin ich froh, dass nur ein Fenster etwas undicht ist.
Wegen des vielen Regens habe ich fast den ganzen Tag in meinem Appartement verbracht. Spät am Abend muss ich beim Scrollen in meinen Facebook-Aktualisierungen grinsen, als ich einen Post von Mark Metternich aus Page in Arizona finde. Mark ist ein ziemlich begnadeter und sehr kompromissloser Fotograf. Er ist oft wochenlang allein mit seinem Allrad-Auto irgendwie im Nirgendwo unterwegs und wenn er zwischendurch mal einen Zugang zum Internet hat, postet er gern Fotos auf denen man sein Auto irgendwo in der Wüste sieht. Er lässt seine vielen tausend Facebook-Freunde dann gern mal raten wo er gerade ist. Zwei Tage zuvor hat er wieder ein solches Bild gepostet. Mich hat es spontan an ein Foto erinnert, das dieser kleine NASA Roboter auf dem Mars fotografiert hat. So habe ich mir den kleinen Spaß erlaubt und Marks großen Allrad-Mitsubishi mit Photoshop freizustellen und ihn digital auf den Mars zu transportieren. Dieses Foto habe ich in einem Kommentar verknüpft.
Mark ist ein lustiger Typ mit einem gesunden Sinn für Humor und so hat ihm meine kleine Spielerei so gut gefallen, dass er am nächsten Tag diese Fotomontage bei Facebook gepostet hat. Nun ging das Raten unter seinen Freunden erst so richtig los. Viele Follower haben sofort richtig getippt und sich köstlich über diesen kleinen Spaß amüsiert.
Mich hat das natürlich sehr gefreut und ich habe mich spontan an ein Foto in seiner Chronik erinnert, das einer seiner Freunde vor einigen Tagen mit einer GoPro Kamera aufgenommen hat. Mark sieht auf diesem Bild mit seiner Sonnenbrille ein wenig aus wie ein Alien, verstärkt wird der Effekt durch die starke Verzeichnung des sehr extremen Weitwinkelobjektivs der GoPro.
So habe ich mir nochmals einen Spaß erlaubt und seinen Mitsubishi zusammen mit Mark in ein anderes NASA Foto hineinmontiert. Weil alles nur ein Spaß ist, habe ich mir nicht viel Mühe gegeben, es soll ja nicht echt wirken sondern nur witzig sein.
Dieses Bild habe ich dann wiederum mit einem neuen Kommentar verknüpft und tatsächlich hat Mark es irgendwann „gefunden“ und sich sehr darüber amüsiert. In einem kleinen Chat hat er mir via Facebook seine Adresse in den USA zukommen lassen und geschrieben, dass er sich über eine Postkarte aus La Gomera ebenfalls sehr freuen würde.
Als ich am nächsten Morgen wach werde ist es erst kurz nach sieben Uhr und draußen ist es noch dunkel. Trotzdem stelle ich ziemlich verschlafen meine 4er GoPro auf dem Balkongeländer auf, die Silikongummis sind noch vom Vortag zur Sicherung der Kamera bereit. Während ich mir später mein Frühstück schmecken lasse, ziehen draußen über den Bergen die Wolken abenteuerlich schnell dahin. Währenddessen knipst meine GoPro Bild um Bild. Einige der Fotos sehen nach einem kleinen „Makeover“ in Photoshop sogar ganz nett aus.
Kurz bevor die Sonne hinter den Bergen hervor geklettert kommt, schnappe ich mir noch meine Fuji X-T1 und montiere das XF 1,4/23mm daran. Mit einem Filteradapter passt jetzt prima mein 67mm großer HAIDA ND1000 Graufilter. Ich wollte es schon lange einmal ausprobieren, heute ist es endlich soweit, auf den Graufilter schraube ich noch einen Graufverlaufsfilter. Weil die grauen Filter kaum noch Licht durchlassen, kann ich jetzt bei Belichtungszeiten von 30 Sekunden meine Fuji im Intervallmodus vor sich hin knipsen lassen.
So entsteht Bild um Bild und später fällt es mir schwer mich zu entscheiden was mir gefällt und was nicht, die Fotos sind wirklich sehr unterschiedlich, obwohl sie mitunter im Abstand vor nur einer Minute entstanden sind.
Wieder einmal zeigt sich mir, dass es bei einer sehr guten Landschaftsfotografie immer auch auf den perfekten Zeitpunkt ankommt. Selbst wenn alles stimmt, Motiv, Jahreszeit, Uhrzeit, Licht, Kamera, usw. ist der Zeitpunkt zu dem man sein Bild letztlich belichtet ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg. Echte Profis geben sich daher an einer hart erarbeiteten Location auch nicht mit dem erstbesten Foto zufrieden sondern schießen drauflos was das Zeug hält. Später bei der Sichtung der Ergebnisse besteht bei ihnen ein wesentlicher Teil des Erfolges darin, das beste Foto aus hunderten einer einzigen Session herauszufischen. Als Zuschauer steht man später davor und denkt „Wow, das ist der Hammer….“ Viele Menschen denken dabei nicht darüber nach was der Fotograf alles veranstaltet hat um dieses eine Foto so hinzubekommen.
Häufig hört man auch Sätze wie „Das ist aber bearbeitet…“. Klar ist es bearbeitet, KEIN PROFI wird mit einem völlig unbearbeiteten Foto in der Landschaftsfotografie jemals erfolgreich sein. Ach wenn es nur kleine Korrekturen bei Kontrast, Weißabgleich, Ausschnitt usw. sind, digitale Fotos werden von Profis immer einer gewissen Korrektur unterzogen. Als ambitionierter Amateur muss man sich da nichts vormachen, sie sind schließlich keine Übermenschen und eine solche Bearbeitung ist auch völlig legitim. In früheren Zeiten ist es ja auch passiert. Damals haben es die Fotografen in der Dunkelkammer gemacht. Es wurde am Farbmischkopf geschraubt, der Ausschnitt wurde optimiert und der mühsam erarbeitete großformatige Abzug aufwändig aufgezogen und eingerahmt.
Dass man damit tolle Ergebnisse erzielen konnte, beweisen Fotos die man in den Galerien von Tom Till in Moab oder Michael Fatali in Page anschauen kann. Heute fotografieren auch sie digital, aber bis vor wenigen Jahren haben sie noch unglaublich schwere Großformat-Kameras durch die Welt geschleppt und einzelne Blätter mit Planfilm belichtet.
Nachdem ich meine Fotosequenz im Kasten habe, gehe ich zu Fuß schnell runter zum Molino de Gofio und kaufe bei Luis einige neue Postkarten. Gegen Mittag sind sie geschrieben und ich will sie schnell zur Post bringen. Als ich vor meinem Motorrad stehe fällt mir auf, dass ich meinen Helm vergessen habe und noch meine Badeschlappen an den Füßen trage. Sowas… Kurz drauf bin ich dann mit Helm und Turnschuhen unterwegs zur Post. Der Mitarbeiter bei der Post grinst mich breit an, er hat mich sofort wiedererkannt. Auch heute wird die Postkarte für Mark Metternich aussortiert, die USA ist ein wenig teurer.
Gegen 13h bin ich wieder zurück bei meinem Appartement und schnappe mir meine Fuji X-T1 mit dem XF 55-200mm Telezoom. Oben drauf habe ich jetzt den Filteradapter mit meinem ND1000 und dem Grauverlaufsfilter. Damit rücke ich nun Pedro y Petra erneut zu Leibe. Aber die Wolken sind so dicht und das Licht ist so mies, das kein wirklich brauchbares Foto entsteht. Aber ich habe heute endlich auch mal länger als nur 30s belichtet! Seit über 100 Tagen schleppe ich nun schon meinen kleinen elektrischen Kabelauslöser für die beiden Fuji-Kameras mit mir herum. Benutzt habe ich ihn bislang noch nicht, weil ich immer mit den maximal möglichen 30s ausgekommen bin.
Nun will ich es aber endlich mal wissen und schraube zusätzlich noch einen ND64 auf den ND1000. Jetzt kann ich bei Blende 8 und ISO-200 Belichtungszeiten von 6 Minuten und mehr erzielen. Sehr hilfreich ist es dabei, dass die Fuji X-T1 auf dem Display bei Dauerbelichtungen die verstrichene Belichtungszeit als kleine Stoppuhr anzeigt.
Als die ersten Tropfen fallen ziehe ich mich in das Restaurant zurück und fotografiere durch die geöffnete Türe heraus die beiden uralten Vulkanschlote. Später versuche ich mal etwas anderes. Jetzt kombiniere ich einen ND64 Graufilter mit zwei Verlaufsfiltern. Diese sind gelb und blau. Der ND64 ermöglicht Belichtungszeiten von mehreren Sekunden, er lässt nur noch 1/64-tel des Lichtes passieren. So bekommen beim nächsten Beispielfoto die Blätter der Palme eine schöne Bewegungsunschärfe während der dicke Fels vollkommen scharf abgebildet wird.
Dies ist ein guter Trick um Bildern etwas mehr Tiefe zu geben, wenn man durch irgendwelche Pflanzen hindurch fotografieren muss. Einfach mit einem Graufilter lange belichten und auf einen kräftigen Windstoß hoffen.
Der Regen wird immer stärker und so sitze ich eine lange Zeit bei Luis im Restaurant. Es gibt zwei Flaschen dieses leckeren Biers aus La Palma und eines dieser kleinen leckeren Baguette mit Schinken. Im Restaurant sind auch zwei sehr nette deutsche Urlauber. Wir unterhalten uns lange über die Vorzüge der Kanaren und was hier besonders schön ist.
Weil ich nur meine Kamera dabei habe, muss ich später eine leichte Regenpause nutzen und schnell zum Hotel laufen um meine Geldbörse zu holen. Als ich zurück bin fängt es gleich wieder stärker an zu regnen. Aber es ist nicht unangenehm, trotz des Regens sind es angenehme 25°C, es ist halt einfach sehr freucht und man kann heute nicht mit dem Motorrad fahren.
Nachdem die beiden Urlauber weitergezogen sind, quatsche ich noch lange mit Luis über seine Urlaubspläne. Er zeigt mir auf seinem Smartphone Fotos seiner letzten Reise nach Indonesien. Es gab wunderbare Wellen, klares Wasser und er war viel auf dem Surfbord unterwegs. Dabei wurde er von Profis von einem Boot aus fotografiert. Die Bilder die er mir zeigt treiben mir fast die Tränen in die Augen so gut sind sie. Spontan ist in mir der Wunsch geweckt irgendwann einmal nach Indonesien zu reisen. Schauen wir mal ob es klappen wird.
Als ich am späten Nachmittag zurück im Hotel ankomme hat es kurz aufgehört zu regnen, aber es hält nicht lange an. So höre ich wieder viel Musik und wühle mich durch die Fotos des Tages.
Später telefoniere ich mit meiner lieben Freundin Sandra. Sie ist heute total euphorisch weil sie sich eine echt coole BMW F800 nachschaut hat. Das Ding ist wie neu und ein echtes Schnäppchen. Ihre Yamaha will sie im nächsten Jahr meinem Sohn vererben und dann hätte sie ein sehr gutes leicht zu beherrschendes Motorrad, mit dem sie vor einigen Wochen auf Teneriffa schon so großen Spaß hatte. Am Abend schickt sie mir noch ein Foto des Motorrades und es ist wirklich schön. Nun kann es an die Planung des nächsten Jahres gehen. Ich werde am Sonntag nach Teneriffa übersetzen und am Montag weiter nach Gran Canaria reisen. Dort werde ich bis Ende Oktober bleiben und im November noch Fuerteventura und Lanzarote besuchen. Nachdem meine BMW auf Teneriffa zum Service abgegeben ist, werde ich mich auf den Weg nach Deutschland machen und erstmals seit vielen Jahren über Weihnachten nicht auf Teneriffa sein. Hoffentlich macht mich das nicht total fertig, ich kann es mir kaum vorstellen an Weihnachten bei Schneematsch und Nieselregen in Deutschland zu sein. Uah wie fies… Aber was tut man nicht alles für die Familie 🙂
Im März soll das Abenteuer dann weitergehen, diesmal mit Sandra und der neuen BMW F800. Wie wir es genau machen wissen wir noch nicht. Es gibt verschiedene Optionen und wir werden einfach abwarten was passiert. Letztlich haben wir es nicht komplett in der Hand, es müssen Urlaubsplanungen von Arbeitskolleginnen usw. abgestimmt werden. Schauen wir mal was wie funktioniert. Freuen tue ich mich aber jetzt schon auf diesen zweiten Teil der großen Reise.
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