Tag 137 – Der letzte Tag auf Teneriffa

Meine vorletzte Nacht auf Teneriffa ist ziemlich unruhig und am Morgen fühle ich mich als hätte ich gar nicht geschlafen. In der Nacht habe ich lauter Blödsinn geträumt, vielleicht liegt es daran, dass ich zum ersten Mal seit vielen Monaten wieder einen Fernseher eingeschaltet hatte? Es gab neue Terrorwarnungen, die Boko-Haram hat wieder in Nigeria zugeschlagen. In Paris wurde eine Wohnung gestürmt und beim Versuch den Drahtzieher der Attentate vom 13. November festzunehmen, starb eine junge Frau. Nun rätselt die Polizei ob es sich bei der 26 Jahre alten Hasna Aït Boulahcen um Europas erste Selbstmordattentäterin handeln könnte.

Irgendwann fällt mir die schöne Farbe des Morgenhimmels auf. Ich schnappe mir mein Telefon um schnell ein Foto aus dem Fenster zu knipsen. Das Farbenspiel der Wolken über dem Pico del Teide ist wunderschön und der Kontrast zum geträumten Unsinn der Nacht so unglaublich krass. Ich stehe eine Weile unter der Dusche und brauche lange bis ich endlich halbwegs klar bin.

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Beim Frühstück muss ich mich entscheiden ob ich Rührei, Spiegelei oder Garkeinei haben möchte. Ich entscheide mich für eine doppeltes Spiegelei. In Verbindung mit dem ersten Vollkornbrot seit vielen Wochen und sehr leckerem Serrano-Schinken habe ich jetzt ein wirklich zünftiges Frühstück.

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Den Rest des Tages vertrödle ich irgendwie, höre Musik, hänge etwas in der Sonne am Pool herum und unterhalte mich mit einigen sehr netten Gästen. Hier auf der Finca kann ich irgendwie ganz herrlich die Seele baumeln lassen. Es ist so schön und friedlich hier, für mich ist es wie im Paradies. Müsste ich die Frage beantworten auf welcher Insel ich mich am wohlsten gefühlt habe, ich könnte nur „Teneriffa“ antworten und das liegt einzig und allein an der Finca San Juan.

Später am Nachmittag ruft mich Dennis an, ich kann ihm jetzt mein Motorrad bringen. Als ich bei seiner Werkstatt in Los Realejos ankomme ist es schon später Nachmittag. Schnell mache ich noch ein paar Abschiedsfotos und halte natürlich den Tachostand fest.

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Losgefahren bin ich bei etwas mehr als 30.000 Kilometern, keine schlechtes Ergebnis für eine einzige Motorradtour? Ich erinnere mich noch gut wie mein älterer Bruder mich etwa 4.000 Kilometer zuvor noch ärgern wollte indem er mir schrieb 14.000 Kilometer in 100 Tagen, das wären ja nur 140 Kilometer am Tag, da würde er aber mehr Kilometer abspulen. Hätte ich in den vergangenen 137 Tagen täglich 400 Kilometer und mehr abgespult, ich wäre einmal locker um die ganze Welt gefahren und hätte unterwegs außer Kurven und Bremslichtern kaum etwas von der Welt gesehen.

Während der ersten Wochen der Reise musste ich teilweise kräftig Gas geben und weite Strecken am Tag zurücklegen. Meine Freundin Sandra hatte für den 21. August eine Reise nach Teneriffa gebucht und ich wollte sie auf keinen Fall allein auf Teneriffa sitzen lassen. Rückblickend habe ich mich dadurch sehr unter Druck gesetzt. Statt mir wunderbare Städte wie Porto, oder Santiago de Compostela einige Tage lang anzuschauen, war ich nur jeweils für einen Tag dort. Es war eine ständige Hetze und es war keine Erholung sondern eine anstrengende Motorradtour mit festem zeitlichen Horizont.

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Wirklich entspannt war meine Reise erst nachdem ich El Hierro erreicht hatte. Ab diesem Zeitpunkt gab es keine festen Termine mehr und das war auch gut so. Ab Anfang September habe ich mich endlich so frei fühlen können wie ich es mir von Anfang an gewünscht hatte. Aber vielleicht habe ich auch einige tausend Kilometer gebraucht um den Job und alle Zwänge, Ängste und Nöte so weit zurücklassen zu können, dass sie keinerlei Belastung mehr darstellen?

Nun an meinem letzten Abend auf der Finca San Juan bin ich sehr nachdenklich und auch traurig, dass dieser vielleicht schönste Abschnitt meines Lebens morgen schlagartig zu Ende gehen soll. Aber es liegt an mir das Beste daraus zu machen. Wenn ich wieder daheim in Deutschland bin sollte ich vielleicht versuchen mich nicht sofort wieder in den Stress und den täglichen Überlebenskampf einzugliedern. Auf den Kanaren habe ich viele alten Menschen getroffen die einfach nur ihr Leben und jeden einzelnen Tage zu genießen scheinen.

In der letzten Woche kam ich auf meinem Fußweg nach Haría morgens an einer Garage vorbei. Sie war komplett leer, nur eine alte Leiter lag in der Ecke. Mitten unter dem Garagentor stand ein Stuhl und darauf saß ein sehr alter Mann der einen Stock in der Hand hielt. Er hatte die Augen geschlossen und schien die Wärme der Sonne in seinem Gesicht zu genießen. Als er meine Schritte hörte öffnete er die Augen, grinste mich an und sagte freundlich „Hola, bona dia“. Als ich nach dem Frühstück etwa drei Stunden später aus Haría zurückkam, saß er noch immer dort und sonnte sich. Er grüßte mich erneut und grinste jetzt noch breiter. Ich dachte nur „Wie friedlich mein Leben doch wäre wenn ich es schaffen könnte so wie dieser alte Mann einfach still den Tag und die Sonne genießen zu können“. Nicht getrieben werden, sich nicht selbst unter Druck setzen, keine Termine haben, keine Meetings, nichts was man unbedingt erledigen muss. Einfach nur dasitzen und die Sonne genießen, ob ich diese Ruhe jemals werde aufbringen können?

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Auf der Finca San Juan gibt es zum Abschluss noch einmal Kaninchen. Köchin Melanie hat heute frei und so hat Candelaria für uns diese herrliche kanarische Spezialität zubereitet. Christine beglückt mich zum Abschluss noch mit einem Eis und einem kleinen Kanarischen Likör, das Leben auf dieser Finca ist für mich das Paradies auf Erden.

Morgen geht es um kurz vor 9h in Richtung Flughafen TFS. Am Vortag habe ich ein weiteres sehr nettes junges Paar kennengelernt. Sie werden morgen um 13h nach Hamburg fliegen und wollen mich mit zum Flughafen nehmen. Das ist prima, so muss ich nicht mit Taxi und Bus auf die andere Seite der Insel fahren. Zwar hatten sowohl Jo als auch Melanie mir angeboten mich zum Flughafen zu bringen, aber ich mag ihnen diese weite Fahrt nicht zumuten. Nun werde ich mitgenommen und das ist perfekt!

Ein Kommentar zu “Tag 137 – Der letzte Tag auf Teneriffa

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