Tag 78 – Nachts fotografieren auf El Hierro

Wegen des milden Klimas herrscht auf den Kanarischen Insel das ganze Jahr über Saison für Motorradfreunde. Das Klima ist selbst im Herbst oder Winter angenehm mild und wer nicht gerade zu Silvester nachts auf Teneriffa hinauf in die Canadas del Teide fahren will, der kann sich auf Temperaturen zwischen 20°C und 30°C freuen, 356 Tage im Jahr. Als ich im Jahr 2009 das erste Mal im März in Arizona war, habe ich tagsüber unter der sengenden Sonne geschwitzt und nachts im Bett vor Kälte gezittert. Das gibt es hier nicht. Selbst in der Nacht ist es jetzt im September noch so angenehm, dass man in der Nähe des Meeres mit etwa 25°C rechnen kann.

Ideale Bedingungen um nachts mit seiner Kamera loszuziehen. Aber zunächst habe ich hier einige Fotos die das Herz aller Motorradfahrer schneller schlagen lassen, die sich aktuell daheim in Deutschland mit dem Ende der Motorradsaison konfrontiert sehen. Wenn der Geldbeutel es erlaubt, ist es ein gute Idee einfach für ein paar Tage auf die Kanaren zu fliegen, ein Motorrad zu mieten und beispielsweise auf El Hierro großen Spaß damit zu haben. Motorräder stehen beispielsweise auf Teneriffa in großer Zahl und guter Qualität bereit. Wer ein Motorrad für eine Woche oder mehr mietet, kann mit der ARMAS Schnellfähre von Los Christianos im Süden Teneriffas in weniger als 3 Stunden nach El Hierro übersetzten und findet hier unberührte Natur und großartige Motorradstrecken.

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Weil ich am Ende meiner Reise eine umfassende Reisedokumentation erstellen möchte, brauche ich natürlich auch etwas Filmmaterial. Ständig nur vor, hinten, oben, links und rechts beim Fahren mit meinen GoPro-Kameras zu filmen ist zwar nett, aber es sollte auch zumindest einige kurze Clips geben auf denen man den „ganzen Biker“ sieht. Das Filmen dieser Clips ist allerdings unsagbar anstrengend, wenn man nicht wie Charley Boorman und Ewan McGregor einen Kameramann dabei hat. Ständig muss man anhalten und weil es oft abschüssig ist, den Motorrad abstellen und das Motorrad mit eingelegtem ersten Gang an der Straße parken. Danach läuft man einige hundert Meter voraus, stellt seine Kamera auf, läuft zurück, fährt an der Kamera vorbei, parkt das Motorrad, läuft zurück um die Kamera zu holen, packt sie wieder ein und wiederholt die Prozedur bei der nächsten schönen Stelle. In voller Motorradkluft bei eigentlich angenehmen 28°C kann das ganz schön schweißtreibend werden. Daher wird es wohl nur einige wenige dieser Clips geben.

Fazit: Ich brauche dringend meinen privaten Kameramann! Wer will mir helfen?

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Damit man bei Nacht fotografieren kann, muss es natürlich erst einmal Nacht werden! Eine einfache Erkenntnis und doch dauert es viele Stunden bis die Nacht angebrochen ist. So bleibt mir heute viel Zeit um nach dem Frühstück meinen Artikel zum Vortag zu schreiben und in der Bar um die Ecke zu veröffentlichen. Das WiFi Netzwerk des Appartements ist seit Tagen ausgefallen und es ist echt umständlich immer irgendwo in einer Bar oder auf der Straße vor einer Bar zu sitzen wenn man ein paar Fotos hochladen und einen Artikel schreiben möchte. Aber auch das ist die Realität auf den Kanaren. Während Portugal in Sachen Internet schon voll im nächsten Jahrtausend angekommen ist, krebst man fast in kleineren Orten in Spanien so vor sich hin und ist froh und dankbar für jedes Kilobyte das sich durch die dünnen Leitungen gequält hat.

Wenn es mit dem Internet schon nicht klappt, was liegt näher als sich ein wenig mit den Fähigkeiten des eigenen Telefons zu beschäftigen? Man hat es eh immer dabei, es hat inzwischen bis zu DREI Kameras und ist ein Stückchen Hightech wie man es sich vor 20 Jahren nicht zu erträumen gewagt hätte.

Hier habe ich ein ganz einfaches Beispiel für eine Bildbearbeitung mit meinem HTC ONE M8. Öffnet man ein Foto über die Anwendung „Alben“, so steht eine Fülle von Bearbeitungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zu den einfachsten Bearbeitungsschritten gehört die Korrektur des Weißabgleichs und das Hinzufügen beispielsweise einer Vignette. In wenigen Sekunden hat man damit ein langweiliges Foto etwas hübsch gemacht und ein ganz ansehnliches Ergebnis erzielt.

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Hier ein weiteres Beispiel, dieses Foto ist am Tag zuvor im Nebelwald hoch oben in den Bergen entstanden. Ich habe den Weißabgleich geändert, es etwas nachgeschärft, den Kontrast erhöht und eine Vignette ergänzt. Es muss nicht immer Photoshop sein, vieles kann man inzwischen ganz einfach direkt auf dem Smartphone erledigen.

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Ein ganz besonders Feature des HTC ONE M8 ist die dritte Kamera. Über diese Kamera wird zu jedem Bild ein zweites Foto aufgenommen und man kann später festlegen welche Bildbereiche scharf abgebildet werden sollen oder eben nicht. Das linke Bild des folgenden Beispiels ist das „Original“, in der Mitte habe ich den Schärfepunkt auf den rechten Baumstamm verlagert und im rechten Bild schließlich auch Kontrast und Weißabgleich geändert. Features wie Dieses sucht man bei normalem Fotogerät bislang leider vergeblich. Lediglich mit einer Lichtfeldkamera wie der LYTRO ILLUM könnte man ähnliche Effekte (in besserer Qualität) erzielen.

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Neben der Korrektur von Weißabgleich und Farben kann man selbstverständlich auch den Bildausschnitt korrigieren und seine Fotos „gerade ziehen“.

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Nachdem ich mich eine Weile mit meinem Telefon beschäftigt und einige Stunden lang groovige Musik (natürlich mit meinem Telefon) gehört habe, ist es endlich Zeit zu meiner nächtlichen Fotosession aufzubrechen. Mit meinem TomTom Urban Rider kann ich die Route aufzeichnen und später in Google Earth öffnen und beliebig drehen oder wenden, ein sehr cooles Feature!

Ich starte gegen 18h in Frontera, der Tank ist noch halbvoll und bis zum Roque de la Bonanza sind es nur etwa 30 Kilometer. Im warmen Abendlicht steuere ich bei 28°C kurz hinter Las Puntas den langen Tunnel an. Auf der Rückseite ist heute mal kein Nebel, auch hier scheint diese Sonne und ich drehe unwillkürlich den Gashahn auf. Der bullige Vierzylinder brüllt im dritten Gang auf und meine BMW schiebt sich wie von einer Rakete angetrieben in weit geschwungenen Kurven den Berg hinauf. Im vierten Gang geht es mit kräftiger Schräglage durch die Kurven, alles ist gut einsehbar, der Asphalt vom Allerbesten, keine Häuser, keine Tiere, keine andere Fahrzeuge, nur ich und der Gasgriff, einhundert Prozent pures Bikerglück.

Plötzlich huscht ein rot umrandetes Straßenschild an mir vor bei: 60 ist darauf zu lesen, ein Blick auf den Tachometer, da stehen 60, aber es ist noch eine 1 davor – Huch…

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Nachdem ich Valverde passiert habe wird der Asphalt schlechter, die Kurven sind jetzt enger und man kann sie häufig nur schlecht einsehen. Hier dürfte ich jetzt 90 km/h schnell fahren, zum Ausgleich für die Vollgasorgie fahre ich kaum schneller als 60 km/h, schließlich will ich nicht abstürzen und im Krankenhaus landen.

Kurz bevor ich mein Ziel erreiche stehe ich vor der einzigen Ampel die El Hierro zu bieten hat und sie ist natürlich ROT. Witziges Detail, neben dem Haltebalken steht ein Schild auf dem in drei Sprachen erklärt wird wo man halten muss, damit der Anforderungskontakt das Fahrzeug registriert. Eigentlich selbstverständlich, dass man bis zum Haltebalken vorfährt, oder?

Nach einer schier endlosen Wartezeit kommen drei Autos aus dem Tunnel, danach springt die Ampel direkt von Rot nach Grün um. Eine gelbe Phase erspart man sich in Spanien. Die gelbe Leucht signalisiert in der Regel durch kontinuierliches Blinken, dass eine Ampel ausgeschaltet ist.

Am Roque de la Bodega angekommen parke ich mein Motorrad einige Meter vom Eingang des Tunnels entfernt. In meinem Tankrucksack habe ich heute eine ganze Reihe schöner Fuji XF Objektive, ich will ja auf alles vorbereitet sein. Am Ende des Tages werde ich aber nur mit dem XF 4/10-24mm und dem außergewöhnlichen XF 1,4/23mm sowie dem XF 1,2/56mm fotografiert haben.

Nachdem ich bei meiner Ankunft auf El Hierro fast Neumond hatte, zeigt sich der Mond inzwischen etwa zur Hälfte. Nachdem die Sonne untergegangen ist verfärbt sich der Himmel zu einer Mischung aus Blau und Violett mit einigen roten Akzenten. Der Mond ist bereits sehr früh zu sehen und er beleuchtet die Szenerie mit seinem weichen Licht sehr malerisch.

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Der Roque de la Bonanza ist von meiner Position aus wieder nur im Gegenlicht zu sehen, es ist immer das gleiche Elend mit diesem Ding. Kommt man tagsüber so sieht man ihn im Gegenlicht der Sonne, in der Nacht ist es der Mond 🙂

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Das Meer rund um den Roque de la Bonanza ist meist sehr ruhig, was auch der Grund für seinen Namen ist: Bonanza hat nämlich nichts mit der gleichnamigen US Fernsehserie aus den 70er Jahren zu tun, vielmehr bedeutet es in der Spanischen Sprache soviel wie „Gutes Wetter“. Und dieses gute Wetter kann man unweit dieser unwirklichen Lava-Skulptur im staatlich geführten Hotel, dem Parador geniessen. Dieses Hotel besticht durch seine außergewöhnliche Lage und im Gegensatz zu vielen anderen staatlich geführten spanischen Hotels, soll hier der Service ganz hervorragend sein. Daher ist mir dieses schöne Hotel ein eigenes Foto wert.

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Im nächsten Bild sieht es ein wenig aus als würde ein uraltes Monster oder ein Steinbeisser aus Michael Endes „Unendliche Geschichte“ aus dem Meer hervorkriechen. Ich mag diesen Ort so sehr, es ist unglaublich friedlich und die Landschaft so ungewöhnlich.

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Gleich hinter mir geht es steil den Berg hinauf. Es sieht fast bedrohlich aus und das ist es auch denn um mich herum liegen überall große Felsbrocken die allesamt irgendwo dort oben abgebrochen sind. In der Nacht erinnert mich diese Felswand an das Mount Rushmore National Memorial in den USA. Und ich überlege wie es wohl aussehen würde, wenn man hier die Gesichter der letzten Könige der Herreños in den Fels meißeln würde? Wirklich möglich wäre dies allerdings nicht, dafür ist dieser Fels zu morsch und zu brüchig, aber witzig wäre es!!

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Im nächsten Foto sieht man was hier mit einer Straße geschieht die eine Weile nicht mehr gewartet wird. Mehr und mehr fallen große Felsbrocken herab, bis die Straße letztlich unpassierbar ist und zu einem Abenteuer für mutige Wanderer geworden ist. Hier nachts zu fotografieren ist eine Herausforderung, denn überall läuft man Gefahr in der Dunkelheit zu stolpern und übel zu stürzen. Heute bin ich daher sehr froh, dass der Mond die Szenerie relativ hell erleuchtet und ich die meisten Stolperfallen gut sehen kann.

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Etwas weiter oben hat man einen schönen Blick auf den weiteren Verlauf dieser alten Straße. Bevor der bolzengerade einspurige Tunnel gebaut wurde, war diese Bucht nur mit einem Boot oder über diesen Weg erreichbar, ein echtes Abenteuer.

In der Nacht gibt es nur wenig Licht und so bin ich dankbar, dass mein Fuji XF 1,4/23mm selbst bei offener Blende scharfe und detailreiche Fotos liefert. Allerdings ist die Tiefenschärfe dann sehr begrenzt, was mir allerdings sehr gelegen kommt, denn dies verleiht Fotos wie dem Folgenden mehr Tiefe.

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Auf der Höhe angekommen wende ich mich um etwa 180° und kann nun den Roque de la Bonanza sehr schön sehen. Mein XF 1,4/23mm enspricht einem leichten 35mm Weitwinkel an einer Vollformat-Kamera. Jetzt bin ich weit genug entfernt um den Ausgang (oder ist des der Eingang?) des Tunnels samt dieses skurrilen Felsens auf ein Foto bannen zu können. Als ich gerade startklar bin, kommt ein Auto aus dem Tunnel gefahren. Meine Kamera belichtet jetzt mehrere Sekunden lang und so erzeugt das fahrende Auto eine schöne Lichtspur entlang der Küstenstraße.

Als der Verschluss sich schließt hat das Auto etwa ein Drittel des Weges zurückgelegt, also drücke ich schnell den Auslöser um ein zweites fast identisches Foto aufzunehmen. Am Ende der Belichtungszeit hat das Auto etwa 2/3 des Weges zurückgelegt, ich nehme noch ein drittes Foto auf… Später lege ich diese drei Bilder in einem Stapel in Photoshop übereinander und wähle für die zweite und dritte Ebene den Mischmodus „Aufhellen“. Und schon ist aus drei kurzen Lichtspuren eine schöne lange leuchtende „Schlange“ geworden, das war doch ganz einfach.

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Gern hätte ich meinen kleinen „Alien“ mal zusammen mit einigen Sternen auf einem Foto. Hier hilft nur das (leider ungeliebte) Hochformat. Seit dem Mittelalter nahm das Hochformat in der Malerei eine führende Rolle ein. Die Mehrzahl der Portraits von Kaisern und Königen wurde im Hochformat gemalt. Doch spätestens seit digitale Fotos fast ausschließlich auf Computer-Monitoren gezeigt werden ist das Hochformat eine Art „Auslaufmodell“. Frisch belebt wurde es erst wieder mit dem Siegeszug moderner Smartphones und Tablet-PCs. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Steve Jobs neben seinen anderen Verdiensten das Hochformat gerettet hat, aber ein wenig geht es doch in diese Richtung.

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Als der Akku meiner Fuji X-T1 langsam schlapp macht, gehe ich zurück zu meinem Motorrad und schieße noch schnell bei eingeschalteter Zündung ein kleines „Beweisfoto“. Es ist ganz interessant, dass diese winzig kleine Standlicht-Lampe den Scheinwerfer des Motorrades so krass erhellt, dass es aussieht als wäre das Fernlicht eingeschaltet.

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Nachdem ich alles zusammengepackt habe, stehe ich wieder eine halbe Ewigkeit vor der einzigen Ampel der Insel und ich bin froh, dass es nur diese Eine ist. Der Bordcomputer zeigt noch immer 28°C, meine dicke Biker-Lederhose klebt unangenehm an den verschwitzten Beinen und ich freue mich jetzt auf etwas Fahrtwind. Als die Ampel endlich grün wird geht es los. Auf El Hierro sind nur sehr wenige Straßen in der Nacht spärlich beleuchtet. Der Strombedarf der Insel wird aus regenerativen Energien gedeckt, scheinbar reicht es nicht um wie in Belgien viele tausend Straßenlaternen aufzustellen. Letztlich ist das auch gut so, denn dadurch ist der Sternenhimmel so unglaublich klar erkennbar. Als einsamer Biker bin ich allerdings froh, dass meine BMW so ein gute Beleuchtungsanlage hat und dass ich diese kurz vor Antritt meiner großen Reise mit zwei OSRAM COOL BLUE INTENSE H7 Lampen aufgepeppt habe.

Diese Lampen haben eine sichtbar höhere Lichtausbeute. Da mein Motorrad nur einen Scheinwerfer hat, ist es prinzipiell jeder KFZ-Lichtanlage unterlegen. Außerdem gibt es kein Kurvenlicht oder ähnliche Spielereien. Der Scheinwerfer ist auch nicht am Lenker sondern an der Verkleidung befestigt. In engen Kurven ist es daher so eine Sache mit der guten „Nachtsicht“. Sehr positiv ist aber das Fernlicht. Weil hier zwei H7 Lampen zum Einsatz kommen ist die Ausleuchtung der Straße wirklich gut, leider nur solange man keinen Gegenverkehr hat.

Wer sich für das Fotografieren bei Nacht interessiert und wissen möchte wie ich diese Fotos hinbekommen habe, dem sei „Ansgar’s kleine Fotoschule“ ans Herz gelegt. Hier die Kapitel in den um das Fotografieren bei Nacht geht.

2 Kommentare zu “Tag 78 – Nachts fotografieren auf El Hierro

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