Meine Reise steuert langsam aber sicher auf den einhundertsten Tag zu. Dennoch bin ich gelassen, denn es war nie mein Ziel genau einhundert Tage lang zu verreisen und dann wieder „Gewehr bei Fuß“ in einem neuen Projekt zu stehen und wie die letzten Jahre täglich zu arbeiten. Im Artikel zur „DIETER Therapie“ habe ich vor einigen Tagen ein YouTube-Video von Motivationstrainer Dieter Lange verknüpft. So ganz erst kann ich ihn ja nicht nehmen, aber eine Stelle in seinem Vortrag geht mir immer wieder durch den Kopf. Es geht darum wie berühmte Leute auf dem Gipfel des Erfolges plötzlich in Tränen ausbrachen, wohl wissend, dass sie alles erreicht hatten und es nicht mehr besser werden konnte. Solch ein Ziel ist diese „100er Marke“ für mich keineswegs. Klar sind 100 Tage eine lange Zeit und Ewan McGregor und Charley Boorman sind in der gleiche Zeit einmal um die Erde gereist, aber auch das war nie mein Ziel.
Von Anfang an war diese Reise dazu gedacht alle Kanareninseln zu besuchen, die ich bislang noch nicht kannte. Ich wollte mit meinem schönen blauen Motorrad bei wunderbarem Wetter durch Europa fahren und das solange es eben geht. Ob dies nun 100 oder ein paar Tage mehr oder weniger sind, darauf kam es mir nie wirklich an. Trotzdem ist es aber cool, dass meine Reisezeit nun bald dreistellig wird. In drei Tagen lässt sich vieles auch leichter rechnen. Ich bin dann seit 2.400 Stunden bzw. 144.000 Minuten unterwegs. Bei einem Puls von 100 pro Minute hätte mein Herz sagenhafte 14.400.000 mal das Blut durch meinen Körper gepumpt. In 100 Tagen bin ich rund 12.000 Kilometer gefahren, also nur etwa 120 Kilometer pro Tag. Das ist nicht wirklich viel und manch ein Biker wird dabei ein Grinsen im Gesicht haben. Aber hey, ich habe an einem Stück mehr als einhundert mal mein Motorrad bestiegen, mir ein Ziel gesucht und bin an fast allen Abenden todmüde und glücklich ins Bett gefallen. Welcher Biker kann das schon von sich sagen?
Als meine Reise begann hatte ich mir vorgenommen regelmäßig ein Videotagebuch zu führen. Mein Vorbild waren auch hier Ewan McGregor und Charley Boorman. Letztlich habe ich es nicht ein einziges Mal getan, denn meine Reise ist keine Fernsehserie. Was mir durch den Kopf geht und was ich zu sagen habe, das schreibe ich in meinen BLOG und später in einem Kindle E-Book. Irgendwie ist es trotzdem etwas schade, aber mir war einfach nicht danach mich auch noch regelmäßig vor eine Kamera zu setzen und in YouTube Manier nochmals zu erzählen, was bereits geschrieben war. Für die Zeit nach der Reise habe ich mir vorgenommen, ein umfangreiches Reisevideo zu erstellen, so wie ich es nach der langen USA Reise im Jahr 2014 gemacht habe. Für dieses Video sammle ich immer mal wieder einige Eindrücke mit meinen beiden Fuji Kameras und gelegentlich auch ganz hemdsärmelig mit meinem Smartphone. Hey, es soll eine Reisedokumentation und kein Hollywood Spielfilm werden.
Während der letzten Wochen hat es mich immer wieder gejuckt mich an einen schnelleren größeren Computer zu setzen und mich schon mit dem Video-Schnitt zu beschäftigen. Letztlich habe ich aber nur mit dem kostenlosen iMovie einige kurze Clips erstellt, denn mehr kann ich unterwegs eh nirgendwo bei YouTube oder ähnlichen Plattformen in halbwegs erträglicher Zeit hochladen.
So habe ich auch meinen Tag 97 dazu genutzt, die letzten Tage an denen ich mit meinen GoPro Kameras gefilmt habe, zu einem kurzen Video zusammenzufassen. Die Arbeit an diesem Video hat etwa 2 Stunden gedauert. Der Upload hat letztlich den ganzen Tag benötigt. Weil mein Notebook daher beschäftigt war und ich den Upload nicht versehentlich abbrechen wollte, bin ich ausnahmsweise mal ganz klassisch zu Fuß zum Supermarkt gegangen um dort etwas zu Essen einzukaufen. Heute hatte ich dann auch ein paar Eier und etwas frischen neuen Toast. Damit habe ich gleich etwas im Stil meines Freundes Tobias W. experimentiert. Tobias hat mir mal den Tipp gegeben, bei einer Scheibe mit einer Espresso-Tasse eine Loch in der Mitte auszustechen, den Toast in einer Pfanne zu braten und ein Ei in das Loch hineinzuschlagen. Das habe ich heute gemacht, aber mit zwei Scheiben Toast übereinander und mit zwei Eiern. So hatte ich letztlich ein ganz witziges Mittagessen.
Später habe ich mir geschaut was das ist, was hier im Hotel als „Solarium“ bezeichnet wird. Eigentlich hatte ich einen Raum mit einer Sonnenbank erwartet. Angesichts der vielen Sonnentage auf dieser Insel wäre das natürlich totaler Quatsch gewesen. So war ich dann auch nicht wirklich überrascht statt einer Sonnenbank eine kleine aber feine Dachterrasse zu finden. Dort gibt es einige Liegestühle und ein bequemes Sofa, alles sehr einladend. So habe ich später mit einem Glas Wein dort gesessen und ein wenig mit meinen GoPro Kameras hantiert.
Das war wirklich sehr entspannt und mein Ziel des Tages, heute die alte Burg bei Vallehermoso zu besuchen habe ich daher auf morgen verschoben, vielleicht auch auf übermorgen, ich habe es derzeit nicht eilig. So ging das es weiter bis nach Mitternacht. Gegen 1h am Morgen von Tag 98 waren sowohl eine Weinflasche als auch die Kamera-Akkus leer, ich etwas betrunken und die Speicherkarten gefüllt. Statt mit meinem Motorrad durch die Gegend zu düsen habe ich mir in aller Ruhe angeschaut wie sich die Cassiopeia über den Himmel bewegt und dies mit meinem Fuji XF 1,2/56mm Objektiv festgehalten.
Später war ich zwar hundemüde, konnte aber trotzdem nicht schlafen. Am Vollmond kann es nicht liegen, denn vom Mond ist aktuell weit und breit nichts aber auch wirklich gar nichts zu sehen. Vielleicht ist es doch die Aufregung, weil ich bald meinen einhundertsten Reisetag haben werde? Keine Ahnung, ist ja letztlich auch egal. Wir haben jetzt 3h am Morgen, ich sitze in T-Shirt und Unterhose auf dem Balkon, es geht ein leichter warmer Wind und um mich herum höre ich die Grillen zirpen, mehr nicht. In diesem Moment habe ich wieder das Gefühl angekommen zu sein. Eigentlich bin ich ja schon seit fast einhundert Tagen am Ziel meiner Reise, denn mein Ziel war lediglich unterwegs zu sein und nette neue Leute kennenzulernen. Aber wie bei jeder Reise geht es nun doch langsam aber sicher auf das Ende zu.
Vor mir liegt noch eine Woche hier auf La Gomera, dann zwei Wochen auf Gran Canaria, etwa eine Woche auf Fuerteventura und nochmal zwei Wochen Lanzarote. Insgesamt also noch runde sechs Wochen oder 45 Tage. Die 150 Tage hätte ich dann nicht exakt erreicht, aber die Reise wird ja nur unterbrochen und im nächsten Frühjahr fortgesetzt. Zählt man die für 2016 geplanten Tage dazu, so könnte es mit der 200 klappen, witzig wäre es! So könnte ich auf 4.800 Stunden oder 288.000 Minuten oder 28.800.000 Schläge kommen. Und aus 12.000 Kilometern wird noch viel mehr werden, 20.000 halte ich für realistisch. Ja, das wäre es dann gewesen, meine große Motorradreise…
Wenn mir am Tag 100 die Tränen in den Augen stehen, dann sicher nicht weil ich am Gipfel des Erfolges angekommen sein werde, sondern eher weil es ab jetzt ganz im Sinne von Motivationstrainer Dieter Lange auf das Ende zugeht. Zum Glück nur das Ende einer sehr langen Reise, wenn alles gut geht, ist klar, oder?
Während um 3:25h in der Ferne ein Hund bellt und die Grillen einfach weiter zirpen als sei nichts gewesen, verschwinde ich jetzt in meinem Bett und versuche morgen mein Appartement zu verlassen bevor das Zimmermädchen kommt und mich wieder ausschimpft. Ob es geklappt hat, das werde ich erleben…
Hier habe ich noch mein „Video des Tages“…
100 Tage komplett auszusteigen muss genial sein! Ich stell mir da aber auch den Anfang wieder schwer vor…
Das Bild mit dem sternenklaren Himmel ist der Hammer!
[…] Tag 97 – Das Solarium […]